zu sehen ist der Ex-Bundeskanzler (SPÖ) und Signa Aufsichtsrat Alfred Gusenbauer.
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Gusenbauer-Firma: Vermögenswerte halbiert

Die Beratungsfirma von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer verbuchte 2024 einen Millionen-Gewinn, halbierte aber ihre Bilanzsumme. Möglicherweise kam es auch zu Ausschüttungen. Wegen seiner Tätigkeit bei Signa fordern die Masseverwalter Millionen von ihm.

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Am Wiener Rooseveltplatz hat sich der Wiener Architekt Heinrich Ferstl ein Denkmal gebaut. Frisch renoviert glänzt dort die Votivkirche im neugotischen Stil in der Herbstsonne. Die Kirche war das erste Bauprojekt der Wiener Ringstraße. Gleich dahinter steht eine repräsentative Gründerzeitfassade aus dem späten 19. Jahrhundert, ebenfalls ein Werk Ferstls. Hinter der Nummer 4-5 residiert heute dort ein ehemaliger Bundeskanzler, oder zumindest sein Büro – Alfred Gusenbauer. Die Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH hat dort ihren Firmensitz. Sie hat lediglich zwei Mitarbeiter und erwirtschaftete im vergangenen Jahr laut Firmenbuch (Wirtschaftscompass) einen Gewinn von 2,2 Millionen Euro. Jedenfalls ist das der Betrag, um den sich der sogenannte Bilanzgewinn im Vergleich zum bereits vorhandenen „Gewinnvortrag“ erhöht hat. Eine echte Gewinn- und Verlustrechnung, die konkret Aufschluss geben würde, veröffentlicht Gusenbauers Firma im Firmenbuch nicht.

Gusenbauers Gesellschaft hat Ende September ihren Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2024 im Firmenbuch hinterlegt. Neben dem Bilanzgewinn, finden sich im Zahlenwerk von Gusenbauers Firma aber zumindest drei weitere Positionen, die eine nähere Betrachtung wert sind. 

Zum einen fällt der ausgewiesene Gewinnvortrag überraschend niedrig aus: Bis zum Ende 2023 hatte sich ein Bilanzgewinn 19,4 Millionen Euro aufsummiert. Ende 2024 wurden jedoch nur noch 3,4 Millionen Euro davon als Gewinnvortrag ins Treffen geführt. Der Gewinnvortrag besteht üblicherweise aus nicht an die Eigentümer ausgeschütteten Gewinnen. Der Rückgang könnte nun darauf hindeuten, dass es im Laufe des Vorjahres zu erheblichen Ausschüttung gekommen ist. Der Bilanzgewinn als solcher liegt – trotz dem erwähnten Millionen-Plus im Vergleich zum Gewinnvortrag – ebenfalls weit unter dem aus 2023: 5,6 statt 19,4 Millionen Euro. Da Gusenbauers Firma seit Langem keine Generalversammlungsprotokolle mehr ins Firmenbuch gestellt hat, lässt sich ein allfälliger Ausschüttungsbeschluss nicht öffentlich nachvollziehen. Da Gusenbauer alleiniger Gesellschafter der Gusenbauer Projektentwicklung und Beteiligung GmbH ist, würden eine Ausschüttung wohl direkt an ihn gehen. Der Ex-Kanzler hat eine profil-Anfrage zur Bilanz unbeantwortet gelassen.

Massiv geschrumpft ist auch die Bilanzsumme der Firma insgesamt. Diese hat sich in nur einem Jahr auf 10,2 Millionen Euro mehr oder weniger halbiert. Das widerspiegelt im Grunde die Vermögenswerte, die eine Firma besitzt.  Der Rückgang dürfte insbesondere mit einem Schrumpfen der ausgewiesenen Finanzanlagen von 14.3 Millionen Euro auf 4,9 Millionen Euro zusammenhängen. Welches Anlagevermögen damit konkret gemeint ist, lässt sich aus dem verkürzten Bilanz-Auszug, der im Firmenbuch veröffentlicht ist, nicht ablesen. Laut „WirtschaftsCompass“ war die Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH jedoch 2023 noch mit 0,15 Prozent an der „Signa Development Selection AG“ beteiligt – einer der beiden Haupt-Immobiliensparten der Signa-Gruppe von René Benko. 0,15 Prozent repräsentieren bei einem Milliarden-Unternehmen durchaus einen ansehnlichen Wert. Mittlerweile ist die Signa-Development jedoch pleite – und das dürfte wohl auch nicht spurlos an der Gusenbauer-Beteiligung vorbeigegangen sein.

Bemerkenswert scheint außerdem, dass  die Gusenbauer-Firma ihre Rückstellungen deutlich aufgepolstert hat. Unter diesem Bilanzposten wurden 2024 gute zwei Millionen Euro verbucht. Und damit mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr davor. 2023 war nicht nur das Jahr, in dem das Signa-Konglomerat pleiteging. Auch die Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH musste zwei Millionen Verlust schlucken – mutmaßlich wegen abgeschriebener Signa-Forderungen, wie den Zahlen von damals auf dem internationalen Firmendatenportal Northdata zu entnehmen ist. Ein Jahr später wurden die Rückstellungen aufgepolstert.

Die Bewegungen in Gusenbauers Bilanz sind es wert, im Kontext der Signa-Pleite betrachtet zu werden. Während es am Landesgericht Innsbruck bei den ersten beiden Prozessen gegen Signa-Gründer René Benko um – noch – relativ geringe Summen geht wird in Wien auf zivilrechtlicher Ebene um viele Millionen Euro gekämpft. Ganz ohne Blitzlichtgewitter.

Kuverts im Weinhotel

Irgendwann in der ersten Novemberhälfte soll es so weit sein: Im niederösterreichischen Wein- und Relax-Hotel „Loisium“ kommen eine  Reihe von Anwälten, die Masseverwalter der drei großen Signa-Gesellschaften Holding, Prime und Development und vielleicht der eine oder andere Aufsichtsrat oder Signa-Geschäftsführer  zusammen. Dort werden dann zuerst einmal ein paar Kuverts mit Zahlungsangeboten ausgetauscht. „Und da müssen schon ordentliche Summen drinstehen, damit man sich außergerichtlich einigen kann“, sagt ein Insider, der mit dem außergerichtlichen Verfahren betraut ist.

Zur Vorgeschichte: Die drei großen Signa-Gesellschaften fordern von ehemaligen Beiräten, Aufsichtsräten und Geschäftsführern, aber auch von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern insgesamt fast eine Milliarde Euro zurück. Dazu gehören nicht nur  Honorare für insbesondere das Pleitejahr 2023. Bei den Forderungen handelt es sich auch um sogenannte Organhaftungsforderungen, um die jetzt eben in einem außergerichtlichen Verfahren unter der Leitung von Niamh Leinwather, Generalsekretärin der Internationalen Schiedsinstitution VIAC, und dem Rechtsanwalt Gernot Murko gefeilscht wird. 

Die Forderungen richten sich nicht nur an  ehemals operative Signa-Manager, sondern auch an frühere Aufsichtsräte: darunter prominente Namen wie  Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn, Robert Peugeot aus dem Automobilclan, Karl Sevelda, bis 2017 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International, oder Karl Samstag, ehemaliger Generaldirektor der Bank Austria. (https://www.profil.at/morgenpost/ex-signa-aufsichtsratschef-gusenbauer-soll-zig-millionen-zahlen/403056721 ) Und eben an Alfred Gusenbauer.

Allein die Signa Holding fordert von Gusenbauer persönlich 1,4 Millionen Euro und weitere 3,5 Millionen von seiner Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH. Weil er bisher keine für den Masseverwalter nachvollziehbare Leistungserbringung für die erhaltenen Honorare nachweisen könne, wie es im fünften Bericht des Masseverwalters heißt. 

„Wir haben bereits mitgeteilt, dass wir gerichtlich gegen Alfred Gusenbauer und die Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH vorgehen“, kommentiert ein Sprecher des Masseverwalters der Signa Holding den Sachverhalt nur knapp. 

Immerhin, das Honorar für 2023 soll Gusenbauer an die Masseverwalter von Signa Prime und Signa Development zurückgezahlt haben. Hinzu kommen noch die offenen Forderungen im Rahmen einer allfälligen Organhaftung. Signa Prime und Signa Development waren die Luxus-Sparte beziehungsweise die Entwicklungs-Einheit bei Signa, in denen Gusenbauer über Jahre Aufsichtsratsvorsitzender gewesen war. Wie viel er und die anderen Aufsichtsräte und Manager zurückzahlen müssen und können, soll jetzt eben außergerichtlich geklärt werden, um sich jahrelange und sehr teure Gerichtsprozesse zu ersparen.

Grundsätzlich haften in Österreich Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte mit ihrem Privatvermögen, falls sie gegen ihre Sorgfaltsplicht verstoßen. Um sich gegen Forderungen, die mitunter die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen ruinieren können, abzusichern, schließen Manager und Firmen deshalb oft sogenannte Directors-and-Officers-Versicherungen (D&O-Versicherungen) ab. Das ist eine spezielle Form der Haftpflichtversicherung für Führungskräfte und Aufsichtsorgane. 

Solche Versicherungen haben die Manager und Aufsichtsräte der Signa auch. Ob die Versicherung in diesem Fall zahlt, ist aber noch mehr als unklar. Dem Vernehmen nach argumentieren die Versicherer jetzt damit, dass die Signa-Gesellschaften, um die es geht, laut Gutachten der Masseverwalter faktisch schon viel früher pleite waren. Das letzte Wort in der Haftungs-Frage ist hier aber noch nicht gesprochen. 

Eines zeichnet sich aber ab: Es könnte richtig teuer werden - nicht nur für Gusenbauer, sondern auch für andere. Die Angebote, die zunächst an die Vorsitzenden dieser außergerichtlichen Kommission übergeben werden, müssen wohl richtig gut und hoch sein, um einen Gerichtsprozess zu vermeiden. Sie müssen „substanziell und rechtssicher aus Sicht der Gläubiger sein. Wir reden da von zig Millionen“, erzählt der Insider. So gesehen kann Gusenbauer flüssige Mittel durchaus gebrauchen. Und was käme da gelegener als eine Ausschüttung aus der eigenen Firma?

Alfred Gusenbauer ließ bis Redaktionsschluss zwei Anfragen zur Signa-Thematik und zur erst kürzlich veröffentlichten Bilanz unbeantwortet.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil und seit 2025 auch Herausgeberin des Magazins. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.