zu sehen ist das Signa-Logo auf einem Baustellenbanner, das als Sujet für die Insolvenzverwaltung dient

137 Millionen Euro: Nächste Schiedsgerichtsklage gegen Signa Holding

Neue Schiedsklage in London, 650 Millionen Verlust schon vor der Insolvenz und auf der Suche nach Gusenbauers Leistung. profil liegt der aktuellste Insolvenzbericht der Signa Holding vor.

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Seit fast zwei Jahren wird die Signa-Holding abgewickelt. Dabei werden nicht nur Möbel, Waffen und Verkehrswerte zu Geld gemacht, sondern es wird auch im Akkord prozessiert – vor nationalen wie internationalen Gerichten. Im – kürzlich vorgelegte – fünften Bericht des Insolvenzverwalters skizziert dieser nicht nur im Detail, wie der komplexe Ausstieg der Signa aus ihrer Beteiligung an der „Kronen Zeitung“ verlaufen ist. Auch erste Millionen aus der Verwertung – unter anderem eines Flugzeugs, einer Jagdwaffe und des Inventars der Gardaseevilla „Ansaldi“ werden vermeldet. Der wohl brisanteste Abschnitt des Berichts betrifft aber einen neuen Rechtskonflikt, der sich in London abspielen wird. Denn da geht es um richtig viel Geld.

Hintergrund ist folgender: Die Signa Holding GmbH möchte vom kanadischen Kreditgeber Wittington Asset Management Ltd. dringend Geld zurück. Es geht um mehr als 137 Millionen Euro. Der Signa-Insolvenzverwalter klagt diese Summe in Wien mit einer Anfechtungsklage ein, weil Wittington dieses Geld kurz vor dem Insolvenzantrag der Signa Holding im Jahr 2023 erhalten hat. Aus Sicht des Insolvenzverwalters war die Signa Holding bereits seit spätestens November 2022 „materiell“ pleite. Ziel der Anfechtung ist es, Zahlungen, die zum Nachteil aller anderen Gläubiger erfolgt sein sollen, in die Insolvenzmasse zurückzuholen.

Schauplatz London

Doch die Kanadier wollen das nicht so einfach hinnehmen – und haben eine neue rechtliche Front eröffnet. Anstatt die Angelegenheit im Rahmen der Anfechtungsklage einfach vor dem Handelsgericht Wien zu klären, zerrt Wittington die Signa nun im Rahmen einer Art Gegenklage nach London vor ein Schiedsgericht. Die Argumentation der Kanadier: Die Signa Holding habe mit Wittington Schiedsvereinbarungen getroffen. Nach Wittingtons Rechtsauffassung dürfen Streitigkeiten nicht vor einem nationalen Gericht in Wien, sondern nur vor dem vertraglich vereinbarten Schiedsgericht in London verhandelt werden. 

Im Rahmen der Schiedsklage gegen die Signa Holding und deren Insolvenzverwalter möchten die kanadischen Kreditgeber eine einstweilige Verfügung erwirken, um – kurz gesagt – die Zurückziehung der 137-Millionen-Euro-Klage in Wien zu erzwingen. Zudem soll die Klage in London dem Zweck dienen, dass der Insolvenzverwalter in Österreich keine weiteren Schritte gegen Wittington setzen darf, solange das internationale Schiedsverfahren läuft.

Der Insolvenzverwalter hält die Ansprüche Wittingtons für „völlig unzulässig“, wie es im Bericht, der profil vorliegt, heißt. Der Ausgang dieses Konflikts ist nicht nur für die Insolvenzmasse und die Gläubiger relevant – sondern könnte auch ein Exempel statuieren, was grenzüberschreitende Anfechtungen in Europa betrifft. 

Die Schiedsklage in der britischen Hauptstadt ist aber längst nicht die erste dieser Art, zwei weitere sind seit nunmehr zwei Jahren anhängig.

Die beiden anderen internationalen Schiedsverfahren richten sich unter anderem gegen Signa, weitere Firmen aus deren Umfeld und auch gegen René Benko selbst. Zur Erinnerung: Der arabische Staatsfonds Mubadala, immerhin einer der größten Vermögensverwalter weltweit, fordert 713 Millionen Euro. Die „AM 1 Real Estate“ des Investors Hamad Jassim Al-Thani aus Katar fordert zudem 296 Millionen Euro. Beide Schiedsklagen wurden schon vor zwei Jahren eingebracht, knapp nach der Insolvenz der Signa Holding am 29. November 2023.

Drei Mubadala-Gesellschaften und die „AM 1 Real Estate“ hatten bei Signa investiert und fordern nun ihr Geld zurück.

Laut Bericht des Insolvenzverwalters fanden im Schiedsverfahren gegen Mubadala Anfang Mai dieses Jahres fünf Verhandlungstage in Genf statt – an einem davon soll auch René Benko befragt worden sein. Er sitzt ja bekanntlich seit dem 24. Jänner in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien Josefstadt und wartet auf seinen Prozess. In diesem Verfahren steht es – verkürzt gesagt – Gutachten gegen Gutachten. Klägerin und Beklagte haben auch zwei Jahren nach Prozessbeginn offenbar noch immer nicht die Frage geklärt, ob individuelle Vermögensansprüche gegenüber der beklagten Partei überhaupt vor einem Schiedsgericht durchgesetzt werden können oder ob in diesem Fall doch das österreichische Insolvenzrecht anzuwenden ist. 

Dann wäre Mubadala aber nur eine Gläubigerin von vielen und hätte kaum eine Chance, auch nur einen Teil seines Investments zurückzuholen. Die Verwertung der verbliebenen Vermögenswerte der Signa Holding gestaltet sich nämlich zäh und wirft bisher sehr wenig ab. „Darüber hinaus führe jeder Versuch, über ein Schiedsverfahren individuelle Ansprüche durchzusetzen, zu einer Gefährdung der Gläubigergleichbehandlung“, heißt es im Insolvenzbericht, der sich auf ein eigens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten stützt. Die Gegenseite sieht das naturgemäß anders und fordert weiterhin die volle Schadenssumme.

Auch im Schiedsverfahren gegen die „AM 1 Real Estate“ sind eine Reihe insolvenzrechtlicher Fragen noch ungeklärt. Dem Bericht zufolge findet eine mündliche Verhandlung dazu Ende November in Wien statt.

Im Bericht des Insolvenzverwalters wird außerdem erstmals der Verlust im Jahr vor dem Insolvenzantrag beziffert. Demnach erwirtschaftete die Signa Holding von November 2022 bis November 2023 – der Antrag wurde am 29. November 2023 am Handelsgericht Wien eingebracht – einen operativen Verlust in der Höhe von rund 650 Millionen Euro.

770.000 Euro Erlös am Gardasee

Ebenfalls im Bericht des Insolvenzverwalters aufgelistet ist, was im Zuge der Verwertung bisher hereingebracht werden konnte. Für die Auflösung aller Bestandsverhältnisse und Bürostandorte wurde demnach bisher ein Betrag von rund 3,5 Millionen Euro eingenommen. Darunter fällt auch eine im Ermittlungsverfahren sichergestellte und an die Signa Holding ausgehändigte Jagdwaffe, mit einem Wert von knapp 70.000 Euro. Aus der Auktion am Gardasee, wo neben dem legendären Gästebuch, Mobiliar wie das goldene WC bis hin zu den Gartenmöbeln alles versteigert wurde, flossen 770.000 Euro brutto in die Insolvenzmasse der Holding. Immerhin warf die Auktion gute 100.000 Euro mehr ab als ursprünglich angenommen. Insgesamt hat die Verwertung vorhandener Vermögensgegenstände (inklusive Internetdomains sowie Markenrechte; Anm.) bisher rund zehn Millionen Euro eingebracht. Gemessen an den Passiva von fast 5,3 Milliarden Euro ist das freilich nur ein Tröpfchen auf einem sehr heißen Stein.

Wo war die Leistung?

Wie schon mehrfach berichtet, fordern zahlreiche Signa-Gesellschaften nun auch Geld von ihren Aufsichtsräten und Beiratsmitgliedern zurück. Im Fall der Signa-Holding – diese war so etwas wie die Dach-Gesellschaft der Gruppe – ganz konkret unter anderem von Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer und Ex-Bank-Austria-Generaldirektor Karl Samstag. In zwei Zivilverfahren fordert die Signa Holding von Alfred Gusenbauer persönlich und von seiner Gusenbauer Projektentwicklung und Beteiligung GmbH jeweils 1,4 und 3,5 Millionen Euro zurück. Weil „weiterhin keine nachvollziehbare Leistungserbringung durch die beiden beklagten Parteien für das erhaltene Honorar von knapp EUR 5 Mio. nachgewiesen werden konnte“, heißt es wörtlich im Bericht des Insolvenzverwalters. 

Dies gilt laut Bericht auch in Bezug auf Samstag. Er sei über eine „A und I Beteiligung und Management GmbH“ als Beirat der Signa Holding tätig gewesen. Nun will die insolvente Dach-Gesellschaft 396.000 Euro aus dem Jahr vor der Insolvenzeröffnung zurück, weil „keinerlei nachvollziehbare Leistungsnachweise durch die Beiräte vorgelegt wurden“, schreibt der Insolvenzverwalter.

Auf einen ersten großen Höhepunkt steuert die rechtliche Aufarbeitung der Signa-Causa freilich Mitte des kommenden Monats zu. Am 14. Oktober startet am Landesgericht Innsbruck ein erster Prozess gegen René Benko. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft ihm vor, kurz vor seiner Insolvenz als Privatunternehmer – kurz gesagt – Geld beiseite geschafft und so seine Gläubiger geschädigt zu haben. Der Signa-Gründer hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.