Aufgedreht

„Wanna Take You There“ von Dives: Nicht in Stein gemeißelt

Wie das Wiener Indierock-Trio Dives seinen Sound Richtung Popmusik öffnet und von Gesellschaftskritik und Hedonismus erzählt.

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Die neue (Pop-)Normalität klingt so: Während namhafte Bands (Tocotronic, Animal Collective) ganze Tourneen wegen schleppender Ticketverkäufe absagen oder verschieben müssen, erscheinen zugleich unerhört viele gute Alben. Viktoria Kirner, Sängerin und Bassistin der Band Dives, verortet im Herbst nach der Pandemie ein Überangebot an Veröffentlichungen mittelgroßer Indie-Bands; immerhin, so erzählt sie im Zoom-Gespräch, haben viele Künstler:innen die Seuchenjahre für neue Releases genutzt. Die Frage ist: Wie kann eine Band heute überhaupt noch wirtschaften, auftreten und unterwegs sein? „Richtig gut gehen nur große Bands und Künstler wie die Rolling Stones oder Harry Styles, die nach wenigen Minuten ausverkauft sind“, erzählt sie. Viele andere, auch befreundete Künstler:innen im In- und Ausland, hätten mit einem veränderten Konsumverhalten des Publikums zu kämpfen.

Um Konsum geht es bei Dives allerdings nur am Rande. Tamara Leichtfried, Dora de Goederen und Viktoria Kirner fangen mit ihren Indierock-Miniaturen lieber das Gefühl ihrer Lebenswirklichkeit ein, singen über gesellschaftspolitische Unstimmigkeiten („Ego“), Sexismus („Burger“), aber auch über den Roadtrip mit der besten Freundin und das Freiheitsgefühl nach der Pandemie. Nachfrage: Wie schafft man diesen Spagat zwischen Hedonismus und Gesellschaftskritik? „Es gibt politische Themen in unseren Songs, weil wir politische Menschen sind“, sagt Leichtfried trocken – und Dives sei eben die Summe der drei Charaktere. Eine aktivistische Band mit Agenda wolle man aber nicht sein.

Mit „Wanna Take You There“, ihrem zweiten Longplayer, öffnen sie ihren Sound in Richtung eingängiger Popmusik, ohne auf den krachenden Gitarrensound und die melancholische Grundstimmung zu vergessen. Heißt: weniger Noise und Garagenrock, mehr eingängige Beats. Die Zeit des großen Ausprobierens ist erst einmal vorbei. Als die Band 2016 gegründet wurde, sagt de Goederen, ging es darum, sich die Bühne mit kaum existierenden musikalischen Fertigkeiten zu erkämpfen: „Heute müssen wir uns hinter einer musikalischen Brutalität nicht mehr verstecken.“ Wichtig sei dem Trio, dass die Songs vor allem live funktionieren. In Stein gemeißelt scheint hier also nichts. Nachsatz: „Unsere Lieder schreiben wir nicht für Spotify.“

Das neue Album wird am 5. November im Wiener WUK präsentiert.

 

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Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.