Boom der Partei-Propaganda am Rücken der Medien
Wer kommt auf die Idee, ausgerechnet in der schwersten Medienkrise dieses Landes ein neues Medium zu gründen? Die Antwort: Eine politische Partei, die SPÖ, mit ihrem neuen Youtube-Format „SPÖ eins“. Die Sozialdemokraten folgen damit spät dem Vorbild der Freiheitlichen, die seit mindestens einem Jahrzehnt ihre parteieignenen Kanäle hegen und pflegen. Die Parteien können sich das dank der üppigen Parteien- und Parlamentsklubförderung locker leisten.
Der Zeitpunkt für den neuen Parteisender ist allerdings nicht ideal gewählt: Derzeit müssen große journalistische Verlagshäuser Personal abbauen. Das heißt: Journalistinnen und Journalisten verlieren ihre Jobs, 1000 sind bereits arbeitslos gemeldet. Weniger Rechercheure, mehr Content aus der Parteibrille – das sind keine guten Aussichten.
Knappe Auftragslage für Freie
Doch nicht nur die festangestellten Redaktionen des Landes müssen zittern. Auch viele freie Journalistinnen und Journalisten spüren die Medienkrise.
Einer von ihnen ist Johannes Greß. Er gewann unter anderem den Concordia Preis 2025 und den Bruno-Kreisky-Preis 2024, zuletzt schrieb er für die „New York Times“ über die Nonnen in Goldenstein. Doch während seine Recherchen international Beachtung finden, steht sein Berufsstand in Österreich mit dem Rücken zur Wand.
Mit seinem Buch „Ausbeutung auf Bestellung“ beleuchtete er die Arbeitssituation migrantischer Arbeit in Österreich. Freie Journalisten können, wie Greß, Spezialgebiete vertiefen und ihre Recherchen an jene Medien verkaufen, die selbst keine Kapazitäten dafür haben.
Greß ist auch im Vorstand des Vereins Freischreiber:innen Österreich. Ein Zusammenschluss frei arbeitender Journalistinnen und Journalisten. Ziele sind Honorar-Transparenz und bessere Bedingungen.
Derzeit tragen Freie viele Risiken. Kein Verlagshaus im Rücken, keine sozialen Sicherheiten, Aufträge brechen weg und Honorare stagnieren. Gespräche über neue Formen der Zusammenarbeit bleiben aus. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 1600 Euro im Monat – nach Steuern, zwölfmal im Jahr.
„Ich habe in den letzten Jahren oft zu prekären Arbeitsbedingungen recherchiert – Paketzusteller:innen, Reinigungskräfte, Essenszusteller:innen. Am Ende verdiene ich bei solchen Recherchen oftmals weniger als die Menschen, über die ich schreibe“, sagt Greß. „Ich bekomme Hinweise auf Missstände, denen ich nicht nachgehen kann – einfach, weil ich es mir nicht leisten kann.“
Etablierte Player am Verhandlungstisch
Journalismus lebt von Diversität – nicht nur bei den Themen, die er behandelt, sondern auch bei den Menschen, die ihn machen. Österreichs Demokratie wäre etwas Gutes getan, wenn die (Medienpolitik) auch hier aufmerksam wäre.
„Wir sind am Untergang“, sagte Ute Groß, Vorsitzende der Journalist:innengewerkschaft GPA bei einer Pressekonferenz zum Thema Medienkrise in der Vorwoche.
Während Freie ums Überleben kämpfen, verhandelt die Politik über neue Medienförderungen. Der zuständige Medienminister Andreas Babler (SPÖ) kündigte an, das „ungeordnete Rausschießen von Inseraten“ zu beenden und Förderungen künftig einheitlicher zu gestalten. Doch die Debatte konzentriert sich auf Verlagshäuser – nicht auf jene, die die Inhalte produzieren.
Einflussreiche Akteure wie die Familie Dichand, Eigentümerin von „Kronen Zeitung“ und „Heute“, setzen sich zugleich für neue Zustellförderungen ein – Subventionen, die großen Häusern helfen, aber die Freien nicht erreichen, sollten sie an den Zweck der Zustellung gebunden sein. Experten kritisieren gegenüber profil, die Maßnahmen würden bestehende Machtstrukturen zementieren, statt Vielfalt zu fördern.
Es wird sich zeigen, wer von möglichen neuen Töpfen profitiert. In der Vergangenheit waren es oft die großen Player.
Zuletzt startete die SPÖ rund um Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler den neuen Sender SPÖ 1 – das blau-affine Flaggschiff AUF 1 fällt einem bei diesem Namen unfreiwillig ein. Man kann nur hoffen, dass die Politik die echten Journalistinnen und Journalisten nicht vergisst. Dazu zählen auch die Freien.