Für ein kostenloses Jahresticket, mussten die Besucher des Frequency Festivals sich das KlimaTicket Logo als Tattoo stechen lassen
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Klimaticket: Gut gemeint, weniger gut umgesetzt

„Eher gering“ schätzt der Rechnungshof die klimapolitische Wirkung des Klimatickets ein. Auch weil klimaschädliches Verhalten von den Grünen kaum sanktioniert wurde.

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Für die grüne Bundessprecherin und Ex-Klimaministerin Leonore Gewessler war es ein Prestigeprojekt: das Klimaticket. Ein Jahresticket, österreichweit gültig für jeden Zug, jeden Bus und jede Straßenbahn, und das für damals 1095 Euro. Vor allem für Pendlerinnen und Pendler sowie für Reisende, die regelmäßig Bundesländergrenzen überqueren mussten, brachte die neue Fahrkarte eine bürokratische und vor allem finanzielle Entlastung. Doch der Rechnungshof übt Kritik am Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Aber zuerst die gute Nachricht, 2023 verkauften sich 243.754 Klimatickets. Das sind doppelt so viele wie die prognostizierten 123.000. Das würdigt auch der Rechnungshof. Allerdings: Für die Prüfer war nicht nachvollziehbar, wie das externe Beratungsunternehmen auf die Verkaufs-Prognose kam, nur das Unternehmen hatte Einblick in die Daten. Und: „Auf welche Kundengruppe die hohe Nachfrage zurückzuführen ist, war dem Ministerium nicht bekannt.“ Das wäre jedoch aus Sicht des Rechnungshofs relevant, um den volkswirtschaftlichen Nutzen der Maßnahme abschätzen zu können.

„Die Einbeziehung externer Expertise zählt zur guten Praxis in der Erstellung solcher Abschätzungen“, heißt es von den Grünen auf profil-Anfrage. Die Berechnungen der erwarteten Verkaufszahlen hätten sich demnach an den bisherigen Ausgaben für den öffentlichen Verkehr orientiert. Also an Personen, die schon vor Einführung des Klimatickets mehr als 1000 Euro jährlich für Öffis ausgaben, sowie an jenen, die allein aus Gründen der Praktikabilität auf das neue Ticket umsteigen würden, so die Grünen.

Für das Budget ist das eine schlechte Nachricht: Durch die Zuzahlung vom Bund schnellten auch die Ausgaben aus dem Budget unerwartet in Höhe: Von Oktober 2021 (damals wurde das Ticket eingeführt) bis Ende 2024 schoss der Bund 520 Millionen Euro für das österreichweite Klimaticket zu. Für die regionalen Varianten weitere 610 Millionen Euro.

Bis zur Einführung des Klimatickets war es ein langer Weg. Die ursprüngliche Idee eines „1-2-3-Tickets“ – ein Euro pro Tag für die Gemeinde, zwei für das Bundesland, drei für ganz Österreich – wurde rasch verworfen, zu unterschiedlich waren die Positionen der regionalen Verkehrsbetriebe von Vorarlberg bis ins Burgenland. 

Die Grünen verstanden das Projekt als Leuchtturm in der Verkehrspolitik. Als Anreiz, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten und den Menschen ein leistbares Angebot zu unterbreiten, wie es die Grünen formulieren. Ein Sinnbild der türkis-grünen Politik: klimafreundliches Verhalten üppig fördern, klimaschädliches Verhalten möglichst unangetastet lassen.

Das Ergebnis: Der Effekt des Klimatickets auf die Emissionen blieb laut Rechnungshof „eher gering“: „Die gesamten Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors betrugen im Jahr 2023 rund 20 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente – mit dem Klimaticket sollten diese um lediglich 0,2 Prozent gesenkt werden.“ Ob diese Werte rein auf das Klimaticket zurückzuführen sind, bleibt offen. Der Rechnungshof empfiehlt, Veränderungen im Mobilitätsverhalten genauer zu unterscheiden: einerseits solche, die durch äußere Rahmenbedingungen wie Bevölkerungszuwachs entstehen, andererseits jene, die direkt auf den reduzierten Preis der Jahreskarte zurückzuführen sind. 

Die Prüfer verwiesen auf eine Evaluierung des „Wiener Modells“, wo der öffentliche Verkehr durch Angebotsausbau und Einschränkungen für Autos am effektivsten genutzt werde. Im Umkehrschluss: Autofahren ist in Österreich nach wie vor zu attraktiv, vor allem im ländlichen Raum. Klimaschädliche Subventionen wie Pendlerpauschale oder Dieselprivileg verstärken diesen Effekt.

Kritik übte der Rechnungshof auch am Gratis-Klimaticket für 18-Jährige. Laut Bericht ging das Ministerium offenbar davon aus, dass alle Begünstigten zuvor hauptsächlich das Auto genutzt hätten. Eine Annahme, die nicht belegt werden konnte. Unklar blieb auch, wie viele der Begünstigten im Anschluss nach der Aktion tatsächlich ein Klimaticket entgeltlich weiter bezogen haben. Zudem habe das Ministerium keine Abwägung getroffen, ob der Effekt nicht größer gewesen wäre, wenn die Mittel in den Ausbau der Infrastruktur geflossen wären. Die Grünen widersprechen, denn durch die frühzeitige Einstellung der Aktion, wäre „eine ordentliche Evaluierung nicht möglich“ gewesen.

Streitigkeiten darüber wird es allerdings keine mehr geben: Seit April hat die neue Regierung das Gratis-Ticket als Sparmaßnahme gestrichen. Noch im heurigen Jahr möchte das Verkehrsministerium das Klimaticket umfangreich evaluieren. 

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im Digitalteam von profil. Davor bei Wiener Zeitung und ORF.