ÖVP-Nähe? Wie die Bauernzeitung an Journalismusförderung kam
Die „Bauernzeitung“ hat sich vom ÖVP-Bauernbund losgesagt – und bekam deshalb eine Journalismus-Förderung. Doch es gibt weiter Verflechtungen zwischen Zeitung und Bauernbund. Eine Tarnaktion?
Von der Marktgemeinde Oed-Öhling im westlichen Niederösterreich geht, unbemerkt vom Wiener Politikbetrieb, ein Machtfaktor aus. In einem Vierkanthof in der 2000-Einwohner-Ortschaft im Mostviertler Hügelland hat der „Verein Landmedien“ seine Postadresse – wohl nicht zufällig, denn hier wohnt auch der Präsident des Vereins, Alois Rosenberger, der von 2017 bis 2019 für die ÖVP im Nationalrat gesessen ist.
Der Verein besitzt die reichweitenstarke „Bauernzeitung“, die laut eigener Darstellung über 100.000 Exemplare ins ganze Land verschickt – und damit als meinungsbildend unter Landwirten gelten darf.
Vergangene Woche gab die Medienbehörde KommAustria bekannt, dass die „Bauernzeitung“ für die Jahre 2022 bis 2024 in Summe 64.000 Euro an Qualitäts-Journalismus-Förderung einstreifte. Dabei war die „Bauernzeitung“ bis Ende 2023 über eine verschachtelte Konstruktion im Eigentum der ÖVP-Teilorganisation Bauernbund gestanden. Und Parteimedien sind von der Journalismus-Förderung an sich ausgeschlossen.
Das Gesetz zur Förderung von Qualitätsjournalismus wurde Ende November 2023 beschlossen. Kurz darauf verkaufte der Bauernbund seine Medienbeteiligungen. Der Großteil – darunter etwa die „Pferderevue“ oder „Holzkurier“ – ging an die Raiffeisen Wien-Niederösterreich. Die politisch relevanteste Publikation, die „Bauernzeitung“, wanderte ins Eigentum des Vereins Landmedien. Der Verein wurde am 18. Dezember 2023 gegründet, nur einen Tag später wurde ihm die Agrar Media Verlags GmbH (AMV) überschrieben, die die „Bauernzeitung“ herausgibt. Mit dem Notariatsakt war die „Bauernzeitung“, rein formaljuristisch, keine Parteizeitung mehr und erfüllte deshalb die Kriterien für die eben erst beschlossene Journalismus-Förderung.
Stellen sich die Fragen: Woher hat ein weitgehend unbekannter Verein nur einen Tag nach seiner Gründung die Mittel, eine Zeitung zu kaufen? Und dient der Verein bloß dem Zweck, dass die „Bauernzeitung“ Fördergelder lukrieren kann?
Fest steht: Falls der Bauernbund seine Nähe zur „Bauernzeitung“ kaschieren wollte, ist es ihm nicht besonders gut gelungen. Das zeigen gemeinsame Recherchen von profil und der „ZiB 2“. Denn es gibt weiterhin mehrere personelle und organisatorische Überschneidungen. Drei der vier Präsidiumsmitglieder des Vereins Landmedien stammen aus dem Bauernbund. Bauernbund-Mitglieder bekommen automatisch ein Abo der „Bauernzeitung“. Und das Leserservice der Niederösterreich-Ausgabe des Mediums hat dieselbe Anschrift und Telefonnummer wie der niederösterreichische Bauernbund.
Bei einem Testanruf von profil meldet sich eine Frauenstimme mit „Niederösterreichischer Bauernbund“ und sagt, dass hier nicht die „Bauernzeitung“ sei. Auf nochmalige Nachfrage erklärt sie: Gratulationen zu Goldenen Hochzeiten und runden Geburtstagen, wie es sie in der „Bauernzeitung“ viele gibt, könne man gerne per E-Mail schicken. An die Adresse des Bauernbundes.
„Entgegenkommenderweise wird dieses Service ohne gesonderte Kosten für unseren Verlag von St. Pölten aus betreut“, erklärt die Geschäftsführerin der AMV, Anni Pichler. Der Bauernbund hilft der „Bauernzeitung“ also aus und will dafür kein Geld.
Von Moritz Ablinger,
Gernot Bauer,
Sebastian Hofer und
Clara Peterlik
Mitarbeiter-Sharing
Völlig unzweideutig ist die Situation in der Steiermark: Die regionale Ausgabe der „Bauernzeitung“ heißt dort „Neues Land – in Kooperation mit der Bauernzeitung“. Die GmbH hinter „Neues Land“ steht laut Firmenbuch zu 100 Prozent im Eigentum des steirischen Bauernbundes. Tatsächlich erscheine die „Bauernzeitung“ in der Steiermark gar nicht, sondern nur „Neues Land“, erklärt AMV-Geschäftsführerin Pichler gegenüber profil. Die regionale Redaktion sei bei „Neues Land“ – also beim Bauernbund – angestellt. Auch wenn sie auf der Website der „Bauernzeitung“ aufgelistet wird. Für „Neues Land“ seien keine Förderungen beantragt worden, sagt die KommAustria.
Wenn diese Partei-Verbindung unmittelbar da ist, hätte es die Qualitäts-Journalismus-Förderung auf keinen Fall geben dürfen.
Andy Kaltenbrunner
Medienforscher
Nicht die einzige personelle Auffälligkeit: Auf der Website des Tiroler Bauernbundes werden unter „Mitarbeiter“ die Redakteurinnen und Redakteure der Tiroler Regionalausgabe der „Bauernzeitung“ angeführt. Sie haben allesamt Telefonanschlüsse, die nahelegen, dass sie im selben Gebäude wie der Landes-Bauernbund arbeiten.
„Die Redakteure sind redaktionell unabhängig und nicht beim Bauernbund Tirol angestellt“, sagt AMV-Geschäftsführerin Pichler: Die Website des Tiroler Bauernbundes enthalte eben auch Informationen über andere Organisationen. Das stimmt, unter „Mitarbeiter“ werden aber sonst nur Bauernbund-Organisationen wie die Jungbauernschaft geführt.
„Wenn diese Partei-Verbindung unmittelbar da ist, hätte es die Qualitäts-Journalismus-Förderung auf keinen Fall geben dürfen“, sagt Medienforscher Andy Kaltenbrunner. Die zuständige Behörde KommAustria ist sich indes „sicher, dass Förderungen aus der Qualitäts-Journalismus-Förderung nicht zu Unrecht bezogen wurden“. Entscheidend sei, wer zum Antragszeitpunkt (2024) der Eigentümer der Zeitung war – selbst wenn die Förderung für einen früheren Zeitraum beantragt wurde, zu dem noch eine Parteiorganisation das Sagen hatte.
Werbehilfe
Die „Bauernzeitung“ darf sich aber nicht nur über Qualitäts-Journalismus-Förderung freuen. ÖVP-geführte Länder und Ministerien zählen zu treuen Anzeigenkunden des Blattes. Üppige Inseratenschaltungen des Landwirtschaftsministeriums waren in der Vergangenheit Thema in U-Ausschüssen. Ein Blick in die Medientransparenzdatenbank der Komm-Austria zeigt: Kanzleramt, Landwirtschaftsministerium und Verteidigungsministerium schalteten im Jahr 2020 noch 250.000 Euro an Werbung in der „Bauernzeitung“. 2024 inserierte nur das von der früheren Direktorin des niederösterreichischen Bauernbundes, Klaudia Tanner (ÖVP), geführte Verteidigungsministerium: eine Werbung für die zivile Karriere beim Heer und ein Online-Sujet. Gesamtkosten: 4569,60 Euro.
Dennoch erhält die „Bauernzeitung“ ausreichend öffentliche Inserate. Mehr als 300.000 Euro an staatlicher Werbung flossen 2024, fast die Hälfte davon kam von der Agrarmarkt Austria (AMA). Über 101.000 Euro kamen direkt aus öffentlichen Budgets, der Großteil davon aus den ÖVP-geführten Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und Tirol sowie der Steiermark, wo die Volkspartei seit 2024 Juniorpartner der FPÖ ist.
Die Agrar Media Verlags GmbH gibt Abos an Mitglieder bäuerlicher Organisationen nicht kostenlos ab.
Anni Pichler
AMV-Geschäftsführerin
Inserate in der „Bauernzeitung“ lassen sich zum Teil mit ihrer großen Reichweite argumentieren. Auch hier hilft der Bauernbund. Denn die ÖVP-Teilorganisation wirbt mit kostenlosen „Bauernzeitung“-Abos um Mitglieder – und erhöht damit die Reichweite des Mediums. Laut AMV gibt es dafür eine entsprechende Vereinbarung mit dem Bauernbund, denn: „Die Agrar Media Verlags GmbH gibt Abos an Mitglieder bäuerlicher Organisationen nicht kostenlos ab.“
An der inhaltlichen Linie der „Bauernzeitung“ hat sich durch den Verkauf nichts geändert. Kaum eine Ausgabe kommt ohne Erwähnung der ÖVP-Teilorganisation aus. In der redaktionellen Berichterstattung wird etwa der WhatsApp-Kanal des Bauernbundes beworben: Bei einer Umfrage habe ein Drittel der Befragten angegeben, den Kanal gar nicht zu kennen, schreibt die „Bauernzeitung“ im Mai und schließt daraus: „Ein klarer Auftrag, das Angebot im eigenen Umfeld weiterzuempfehlen.“ Die Headlines klingen oft so: „NÖ Bauernbund setzt sich durch: EU senkt Wolfs-Schutzstatus“.
Absicht oder nicht: Parteien und ihre Teilorganisationen unterliegen strengen Transparenzpflichten. Sie müssen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Sponsorings und aus Inseraten parteieigener Medien an den Rechnungshof melden. Der formal unabhängige Verein Landmedien muss das nicht.
Die „Bauernzeitung“ ist jedenfalls im Umbruch. Im Juni schied der langjährige Chefredakteur aus – aufgrund konträrer Ansichten über die künftige Entwicklung der Zeitung. Sein Nachfolger kommt aus der Bauernbund-Familie: Clemens Wieltsch war bei den Jungbauern, der Jugendorganisation des Bauernbundes, und während des Studiums bei der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft aktiv.
Überhaupt habe mit der Übernahme der AMV durch den Verein Landleben ein „umfassender Modernisierungsprozess“ begonnen, schreibt AMV-Geschäftsführerin Pichler. Neben der Umstellung auf Kleinformat und der Vorbereitung eines neuen Online-Auftrittes kam es eben auch zur Trennung vom Bauernbund. Zumindest auf dem Papier.
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Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.