Elke Kahr (KPÖ)
profil-Morgenpost

Witzeln Sie noch oder gendern Sie schon?

Warum lehnen Kommunistinnen Investorinnen ab? Wird Peter Hacker, Peter Hanke oder Peter Handke nächster SPÖ-Chef? Und wie geht der kürzeste Witz der Welt?

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Mit guten Witzen ist es ja so: In der Erstanwendung sind sie lustig. Bei fortdauerndem Gebrauch verlieren sie ihre Wirkung. Und irgendwann sind sie so verschlissen, dass sie nur noch für den Villacher Fasching oder Maturazeitungen taugen. Anhand der Witze über das Gendern: Der erste, der das Binnen-I persiflierte, war profil-Legende Reinhard Tramontana. Eine seiner „profan“-Kolumnen begann er mit der höflichen Anrede: „Liebe HebammInnen!“. Im April 1997 war das gelungene Satire, respektive Polemik. Urteilen Sie selbst! Heutzutage glaubt jeder Blödel, mit flachen Witzen über gendergerechte Sprache punkten zu können.

Wirklich lustig wird es in diesem Zusammenhang nur noch unfreiwillig: Wenn etwa im Programm der neuen Grazer Stadtregierung alle Personengruppen per Doppelpunkt gegendert werden – Grazer:innen, Fußgänger:innen, Dolmetscher:innen… –, nur eine nicht: Investoren. Gut, das mag der neuen kommunistischen Bürgermeisterin Elke Kahr geschuldet sein. In deren Vorstellungswelt ist für Kapitalist:innen, Großgrundbesitzer:innen und Ausbeuter:innen aller Art wahrscheinlich kein Platz.

Alltäglich und alltagstauglich?

In der pragmatischen Mitte der Gesellschaft ist oder wird das Gendern alltäglich. Ob es auch alltagstauglich ist, diskutieren Lena Leibetseder und Robert Treichler in der profil-XXL-Jahresausgabe. Interessant ist, dass trotz aller Achtsamkeit zentrale Begriffe nicht gegendert werden. Wahrscheinlich sind sie zu abstrakt. So las Ihr Morgenpostler noch nie von einer „Gesetzgeberin“. Das mag daran liegen, dass die gesetzgebenden Organe der Republik Österreich nach wie vor männlich dominiert sind. Wie auch immer. Ranghöchster unter den Gesetzgeber:innen ist der Präsident des Nationalrates, Wolfgang Sobotka. Präsident Sobotka ist dem größten politischen Machtcluster des Landes, der ÖVP Niederösterreich, zurechenbar. So auch: Johanna Mikl-Leitner (Landeshauptfrau), Gerhard Karner (Innenminister) und Karl Nehammer (Bundeskanzler). Politisch sozialisiert wurden alle in der Ära von Erwin Pröll. Der langjährige Landeshauptmann feierte termingerecht am 24. Dezember seinen 75. Geburtstag und wird in Niederösterreich neben Leopold, dem Frommen, als zweiter Landesheiliger verehrt. Warum das so ist, erfahren Sie in der neuen profil-Serie „Bauer sucht Politik“.

Dort können Sie auch nachlesen, was Herbert Kickl im Laufhaus macht und ob Peter Hacker, Peter Hanke oder Peter Handke nächster SPÖ-Vorsitzender wird.

Großes Netflix

Sollte die neue profil-Serie einmal verfilmt werden, ist fraglich, ob sie ins Kino kommt. Denn vielleicht gibt es dann keine Kinos mehr. „Warum sollte man sich, angesichts eines Online-Filmüberangebots, das Kinogehen überhaupt noch antun?“, fragt der Leiter des profil-Kulturressorts, Stefan Grissemann, hier. Seine Antwort: „Weil das Erlebnis, ein Werk, das nicht fürs Fernsehen entstanden ist, an dem Ort zu sehen, für den es gemacht wurde, daheim nicht zu haben ist. Schon das Ritual, ein Kino zu betreten, prägt die Filmerfahrung mit: Man dringt in ein Haus, ein Foyer, schließlich in einen Saal vor, um sich in Stille, Isolation und Dunkelheit auf etwas Einmaliges einzulassen.“ Streaming-Dienste bieten das nicht. Dazu ist die Vorstellung grauenhaft, unsere Kinder und Kindeskinder würden dereinst ein gelungenes Spektakel als „großes Netflix“ bezeichnen. 

Abschließend der vielleicht kürzeste Witz der Welt: „Kommt ein Zyklop zum Augearzt.“

Gendern Sie das einmal!

Gernot Bauer

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Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.