August Wöginger sitzt nachdenklich mit gefalteten Händen vor dem Gesicht im Nationalrat
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Schiebung und Shitstorm: Digitale Wut-Welle gegen Wöginger

Nach der Diversion in der Postenschacher-Causa schlägt ÖVP-Klubchef August Wöginger digital eine Welle der Wut entgegen, wie eine exklusive Auswertung zeigt. Rufe nach einer Reform von Postenbesetzungen werden laut – samt Entmachtung der politisch gefärbten Personalvertreter.

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Das Timing hätte besser nicht sein können: Nur wenige Tage nach dem Prozess am vorvergangenen Dienstag, in dem ÖVP-Klubchef August Wöginger wegen Postenschachers mit einer Diversion davongekommen war, machte er sich mit Abgeordnetenkollegen der Volkspartei auf eine Wallfahrt nach Maria Plain bei Salzburg. Solche Pilgerreisen dienen traditionell auch dazu, Buße zu tun und zu beten. Welche Anliegen Wöginger in Salzburg an seinen Gott herangetragen hat, ist Privatsache.

Von öffentlichem Interesse ist dagegen, wie es in der Causa weitergeht, in der Wöginger für einen Parteifreund, einen Bürgermeister, intervenierte, damit dieser einen Job beim Finanzamt Braunau bekommt. Selten war eine Intervention durch Chats so gut belegt wie in diesem Fall. Ganz ausgestanden ist die Sache juristisch noch nicht – und politisch schon gar nicht. Während die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss und die Grünen auf eine grundlegende Änderung der Spielregeln bei Postenbesetzungen im öffentlichen Dienst drängen, entlädt sich auf Wögingers Social-Media-Präsenzen der Zorn der Bevölkerung.

Eine exklusive Auswertung für profil zeigt, welches Ausmaß der Imageschaden haben dürfte: Das auf soziale Netzwerke spezialisierte Marktforschungsunternehmen Buzz-value hat die Reaktionen der Facebook-User auf Wögingers Postings vor dem Prozess mit jenen nach dem Prozess verglichen.

Reaktionen auf Wögingers Facebook-Postings

Oben links: Vor dem Urteil bekam Wöginger größtenteils Likes. Unten rechts: Nach dem Urteil drehte sich das Stimmungsbild.

Quelle: Auswertung des Unternehmens Buzzvalue nach einer Idee von profil. Beobachtungszeiträume: Jahresbeginn bis 6. Oktober bzw. 7. bis 15. Oktober.

Es ist das erste Stimmungsbild zur Causa. Und ein klares Indiz dafür, dass die jahrzehntelange eingeübte Praxis der Postenschieberei bei der Bevölkerung mitnichten Resignation, sondern eher Aggression hervorruft. Denn auf Facebook können User nicht nur mit einem zustimmenden „Like“ reagieren, sondern zwischen mehreren Emotionen wählen: darunter ein wütendes, ein trauriges oder ein „Haha“-Emoji. Insbesondere „Haha“ und „Wut“ sind in den überwiegenden Fällen Ausdruck von Ablehnung und Empörung.

Wöginger ist aktuell mit einer Wut-Welle konfrontiert: Die „Wut“- und spöttischen „Haha“-Emojis summieren sich auf 73,8 Prozent aller Reaktionen, die er auf seine zwölf Postings seit der Diversion bekommen hat. Zum Vergleich: Vor dem Prozess machten die negativen Reaktionen nur einen Anteil von 35,5 Prozent aus.

„Seit Bekanntwerden der Diversion driftet das Stimmungsbild in eine stark negative Richtung ab, und Wöginger wird aktuell umfangreich mit Kritik konfrontiert. Auch im Vergleich zu den anderen Klubobleuten ist das Meinungsbild von Wöginger auf Social Media deutlich negativer“, sagt Markus Zimmer, Geschäftsführer von Buzzvalue, zu profil. Die Ablehnung und die zahlreichen „Rücktritt“-Kommentare sind für alle öffentlich sichtbar.

Doch zu einem Amtsende wird es nicht kommen.

Amtsverlust unwahrscheinlich

Juristisch nicht, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) entgegen früheren Ankündigungen geneigt ist, der Diversion zuzustimmen. Damit wäre das Verfahren erledigt. Allerdings könnten die Oberbehörden, in diesem Fall die Oberstaatsanwaltschaft Wien und der Weisungsrat, die WKStA overrulen und ihr auftragen, Beschwerde einzulegen – die Frist dafür beträgt 14 Tage und beginnt zu laufen, wenn das Gericht seinen Beschluss schriftlich ausfolgt. Im Fall einer Beschwerde könnte es noch ein Urteil gegen Wöginger geben. Sein Amt ist davon nicht gefährdet. Für einen Amtsverlust müsste er zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt werden, und das ist für Kenner der Materie unwahrscheinlich.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef und seit 2025 Mitglied der Chefredaktion bei profil. Gründete und leitet den Faktencheck faktiv.