Schützenvereine: Amokläufer lernte dort schießen, vom Waffengesetz verschont
Gewehre erst ab 21 und nur noch mit Waffenbesitzkarte; Pistolen erst ab 25; strengeres psychologisches Gutachten. Das neue Waffengesetz, das Innenminister Gerhard Karner am Donnerstag präsentierte, ist voll auf den Amokläufer von Graz zugeschnitten. A. tötete am 10. Juni im Alter von 21 Jahren neun Schülerinnen und Schüler, eine Lehrerin und am Ende sich selbst. Er verwendete dabei zwei legal erworbene, halbautomatische Pistolen und ein doppelläufiges Gewehr (Bockflinte).
Wie profil damals berichtete, lernte er den Umgang mit der Pistole in einem Grazer Schützenverein. Konkret im Postsportverein - Sektion Schützen, der zwischen dem Tatort im Gymnasium Dreierschützengasse und der früheren Heimat des Attentäters in Graz Karlau liegt. Fünf Mal löste er eine Schnupperkarte um zehn Euro pro Tag und ließ sich von einem Senior des Klubs unterweisen. Ein Schütze, der mit A. als letztes im Verein schoss, war erschrocken von dessen Empathielosigkeit und Kälte, schilderte er profil. Doch den anderen Mitgliedern schien der Introvertierte mit den ins Gesicht hängenden Haaren nur ein ruhiger, lieber Bub zu sein. Am Ende wurde A. eine Bestätigung ausgestellt, wonach er in der Waffe unterwiesen wurde - eine der Voraussetzungen für eine Waffenbesitzkarte. Zweite Voraussetzung ist ein psychologisches Gutachten. Das hatte A. neuesten Informationen zu Folge bereits in der Tasche, als er im Verein auftauchte.
So sehr der Amoklauf Vorlage für die Verschärfung des Waffengesetzes war - das Kapitel im Schützenverein fand darin keinen Niederschlag. Warum?
Gäste weiterhin willkommen
Neben Jägern bleiben auch Sportschützen von der Altersanhebung auf 21 bzw. 25 Jahre ausgenommen. Wer auf die Schießstätten darf und dort wie unterwiesen wird, überlässt die Regierung weiterhin den Schützenvereinen. Ein Sprecher des Innenministeriums, das bei der Reform der Waffengesetze federführend war, meint nur: „Wir werden die Vereine sensibilisieren, auffällige Personen bei der Behörde zu melden.“
Die Grazer Postschützen bewerben auf ihrer Homepage weiterhin eine „Standgebühr für Gäste (Nichtmitglieder)“ um 10 Euro pro Tag. „Einführungen und Trainings“ gebe es auf Nachfrage. Nach dem Attentat wurde die Schussanlage „aus Pietätsgründen“ geschlossen und ging dann in die Sommerpause. Nächste Woche soll sie wieder öffnen, sagt Sektionsleiter, Eduard Albler. Dann würden die Mitglieder darüber beraten, ob es eine Anpassung der Regeln brauche. Der Sektionsleiter verweist aber darauf, dass die Kriminalpolizei dem Verein nach dem Amoklauf kein Fehlverhalten attestiert habe.
Ein Profi-Schütze wirft die Flinte ins Korn
Gernot Siber, einst im Sportschützen-Nationalteam, war sieben Jahre lang Vorstand des Postsportvereins Graz mit seinen zwölf Sektionen, von Schach bis Schießen. Er schlug nach dem Attentat Reformen im Schützenverein vor. Vereinsfremde Gäste sollten keinen Zugang zum Schießstand mehr erhalten, die Bestätigung über den sachgemäßen Waffengebrauch nur noch an jene Mitglieder ausgestellt werden, die eine umfangreiche Schulung absolviert und ihr Können bei Turnieren unter Beweis gestellt haben. Auch Bürgschaften für Neumitglieder, wie in anderen Vereinen eingeführt, konnte er sich vorstellen. Doch in der Sektion sei ihm kein Gehör geschenkt worden. Für Siber war es der letzte Anstoß, sich aus dem Vorstand des Postsportvereins zurückzuziehen. Albler führt nun auch den Dachverein seiner Schieß-Sektion interimsmäßig, im Oktober wird der Vorstand neu gewählt.
Wer in den Schießkellern zwischen Wien und Bregenz künftig ein- und ausgeht, wer neue Gesichter wie unter die Lupe nimmt, bleibt den Vereinen selbst überlassen. Die Politik will sich nicht einmischen.