Handy-Hotspot statt Glasfaser: Was Betriebe gegen die Internetmisere am Land tun
Der Breitbandausbau in Österreich geht nur schleppend voran – Betriebe am Land kann das Kundschaft und Geld kosten. Zu Besuch bei zwei Kärntner Betrieben, die sich mangels Netzverbindung mit Handy-Hotspots und Elon Musk behelfen.
Plötzlich friert der Bildschirm ein: Verbindungsfehler. Wo Fotos reparierter Pkw aufscheinen sollten, zeigt das Tablet bloß einen weißen Ladebildschirm. In der Zweigstelle der Kärntner Kfz-Werkstätte Karosserie Puck streikt das Internet heute nicht zum ersten Mal. profil ist in der neu eröffneten Filiale in Kaindorf im Gurktal zu Besuch, um sich ein Bild von der lokalen Netzverbindung zu machen. Kaindorf, eine 145-Einwohner-Ortschaft in der Gemeinde Weitensfeld im Gurktal, ist noch über die alten Kupfer-Telefonleitungen an das Internet angebunden – Download-Geschwindigkeit maximal 22 Megabit pro Sekunde, Upload höchstens ein Megabit pro Sekunde. Damit kann man nicht einmal eine ganze Folge auf Netflix streamen, ohne dass der Bildschirm einfriert.
Für die eigentlich hochdigitalisierte Autowerkstatt, die sich auf die Reparatur von Teslas und anderen modernen Fahrzeugsystemen spezialisiert hat, stellt das eine echte Herausforderung dar. Fast alles hier funktioniert über die Cloud. Bei Eintreffen eines neuen Fahrzeugs werden alle Schäden über digitale 3D-Modelle erfasst, jeder erledigte Arbeitsschritt wird von den Mitarbeitenden fotografiert und ins interne System hochgeladen. Die Zeiterfassung des siebenköpfigen Teams erfolgt über Tablet-Login. Sogar die Müllschlucker der Werkstatt melden der Entsorgungsfirma automatisch, wenn sie voll und abholbereit sind. Dass ausgerechnet hier das Internet immer wieder streikt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Das Problem der Firma Puck ist in Österreich beileibe keine Ausnahme. 2024 verfügte nur rund die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu einem leistungsfähigen Glasfasernetz. Österreich liegt damit beim Glasfaserausbau etwa 20 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von knapp 70 Prozent. Die größte Glasfaser-Flächendeckung Europas hat Island, wo nur knapp zwei Prozent der Haushalte nicht angeschlossen sind. Im digitalen Zeitalter kann das sowohl für Privathaushalte als auch für Betriebe eine grobe Einschränkung sein. Unternehmen wie Puck, die auf schnelles Internet angewiesen sind, behelfen sich daher mit Extra-Routern im Büro oder installieren Elon Musks Starlink-Satellitenschüssel auf dem Dach.
Langsames Internet, schwere Folgen
Josef Pechmann ist Leiter der Zweigstelle von Karosserie Puck, die im Frühjahr 2025 in Kaindorf eröffnet wurde. Das eingangs erwähnte Tablet gehört für ihn und sein Team zur Standardausrüstung – wenn die Verbindung es zulässt. „Wir kalkulieren am Tablet Schäden und Preise in Echtzeit“, erklärt Pechmann: „Wenn ich ein Ersatzteil bestellen will, sehe ich genau, wie viel es heute beim Fahrzeughersteller kostet. Da gibt es enorme Preisschwankungen, deshalb brauchen wir Systeme, die absolut funktionieren.“ Versagt die Internetverbindung während einer Kalkulation, sind die an die Kunden weitergegebenen Preise schon nicht mehr aktuell. Das kann zu Verlusten führen oder gar zu Nachprüfungen durch die Versicherung, wenn der Preis zu hoch angesetzt wurde.
Josef Pechmann ist Leiter der Zweigstelle der Karosserie Puck im Kärntner Weitensfeld. Der Betrieb ist voll digitalisiert, die Leitung kommt aber oft nicht mit. Breitband gibt es hier erst in eineinhalb Jahren.
Geschäftsführer Gert Puck hat deshalb schon einige Notlösungen ausprobiert – private Router in die Werkstatt gestellt, den Hotspot der Mobiltelefone angeworfen, aber nichts davon löst das Problem dauerhaft. Große Teile der Gemeinde Weitensfeld sind seit dem Sommer 2025 ans Glasfasernetz angeschlossen – bei Puck in Kaindorf fehlt die Verbindung immer noch. Zwar wurde die Leitung beim Bau des neuen Radwegs vor der Werkstatt bereits mitverlegt, doch der Anschluss ist erst für Anfang 2027 geplant. Das heißt also: eineinhalb Jahre warten.
Lange Warteschleife
Abgelegene ländliche Gegenden wie das Gurktal sind für private Netzbetreiber oft unattraktiv. Die Ausbaukosten von Glasfaserleitungen lassen sich bei wenigen Einwohnern und Betrieben kaum über Gebühren einspielen. Das spiegelt sich auch auf der österreichischen Landkarte des Breitbandatlas, einem interaktiven Online-Tool des Bundes, wider: Schlecht angebundene Regionen wie Kaindorf erscheinen als gelbe und zartorange Flecken auf der Karte. Hier erreicht die Download-Geschwindigkeit weniger als 30 Megabit pro Sekunde (siehe Grafik).
Anteil der Haushalte pro Gemeinde in Kärnten mit mind. 30 Mbit Festnetz-Internet
Damit solche Regionen nicht dauerhaft abgeschnitten bleiben, soll die öffentliche Hand mit Förderprogrammen wie „OpenNet3“ nachhelfen. Bis zu 65 Prozent eines Ausbauprojekts können so vom Bund gedeckt werden. Vor allem die dünner besiedelten Gebiete Kärntens und der Steiermark, Privathaushalte und abgelegene KMU sind auf diese Subventionen angewiesen.
Doch genau diese Bundesländer wurden zuletzt immer wieder vertröstet. 2023 mussten Kärnten und die Steiermark auf Fördergelder warten, weil der Bund auf Ausbaupläne privater Anbieter verwies. Gesellschaften wie der Glasfaser-Internet-Dienstleister Speed Connect blockierten ganze Regionen mit großspurigen Ankündigungen – gebaut wurde aber kaum, bis die Firma im Juni 2025 Insolvenz anmeldete.
Es folgte der nächste Rückschlag: Das Programm „OpenNet3“, aus dem Kärnten 51 Millionen Euro erhalten sollte, wurde aufgrund der angespannten Budgetlage eingefroren und auf unbestimmte Zeit verschoben. Bereits eingereichte Projekte hingen somit in der Luft.
Nach regem Protest der betroffenen Länder und Gemeinden rückte die Bundesregierung tatsächlich wieder von ihrem Sparkurs ab – zumindest zum Teil: Im Rahmen eines Investitionspakets wurde im September 2025 angekündigt, dass ab 2027 bis 2029 immerhin 120 Millionen Euro für den Breitbandausbau bereitgestellt werden. Dies sei eine Kompromisslösung angesichts der Budgetlage. Das übrige Geld werde in den ursprünglich vereinbarten Anteilen an die Bundesländer ausgeschüttet, heißt es aus dem zuständigen Breitbandbüro des Bundes, momentan im Ministerium von Vizekanzler Babler angesiedelt. In den vergangenen fünf Jahren war das Büro vier verschiedenen Ministerien unterstellt.
Für die betroffenen Regionen bedeutet das neue Paket zwar eine gewisse Planungssicherheit – allerdings um Jahre verspätet und in deutlich geringerem Umfang als ursprünglich vorgesehen. Durch die Kürzung fallen einige Projekte aus. Wie viel dem Land Kärnten für den Ausbau nun zusteht und welche Projekte gefördert werden, hätte bereits vor einigen Tagen in einer Pressekonferenz kommuniziert werden sollen. Doch auch hier wurden die betroffenen Länder wieder vertröstet – die Konferenz wurde kurzfristig abgesagt.
In Kärnten sind derzeit die Breitbandinitiative Kärnten (BIK), eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Landes, und der Energiedienstleister Kelag für den Breitbandausbau zuständig. Je weniger der Bund fördert, umso mehr muss aus eigenen Mitteln gestemmt werden. Ein eigenes Bauprogramm für 2025 soll
40 Gemeinden und über 11.000 Haushalte ans Glasfasernetz anschließen. Dafür investiert Kärnten heuer 117 Millionen Euro.
Ich habe mir den Elon Musk aufs Dach gepickt.
Manfred Krethen, Leiter eines Mobilitätshilfe-Unternehmens
Lösung aus dem All
Auch die Gemeinde Irschen im oberen Drautal an der Grenze zu Osttirol wurde im Sommer nach langem Warten mit Glasfaser versorgt. Einige entlegenere Betriebe am Stresweg in Irschen sind davon aber bisher nicht erfasst. Deshalb behilft man sich dort schon seit einigen Jahren selbst. „Ich habe mir den Elon Musk aufs Dach gepickt“, erklärt Manfred Krethen, Leiter eines Mobilitätshilfe-Unternehmens. Damit meint er die Starlink-Satellitenschüssel, die am Haus befestigt ist.
Auch das benachbarte Naturhotel Landhof Irschen, ein Hotelbetrieb mit zehn Mitarbeitern, nutzt seit 2021 satellitengestütztes Internet. Seine Starlink-Schüssel war angeblich die allererste, die in Kärnten montiert wurde. „Sie funktioniert ganz gut. Nur bei schlechtem Wetter ist die Verbindung ein bisschen langsamer“, meint Inhaber Markus Locker. Vorher gab es in den Gästezimmern überhaupt kein WLAN, nur in der Lobby und im Hotelrestaurant. Je mehr Gäste dort einstiegen, umso langsamer wurde die Verbindung. Die Zeit offline habe zwar zur Entschleunigung beigetragen, mittlerweile sei eine funktionierende Internetverbindung aber für Urlauberinnen und Urlauber unverzichtbar.
Das Naturhotel "Landhof Irschen" ist im Internet-Niemandsland. Deshalb holte sich der Betrieb vor vier Jahren das Satelliteninternet von Elon Musk, Starlink. "Wir waren die ersten in Kärnten", sagt Geschäftsführer Markus Locker. Überprüfen lässt sich das freilich nicht.
Mit Starlink ist man im Naturhotel zwar zufrieden, doch sobald ein Glasfaseranschluss verfügbar ist, will man umsteigen – schon allein wegen der Kosten. Denn auch wenn die Preise für Satelliteninternet sinken, bleibt Glasfaser langfristig die günstigere und stabilere Lösung.
Verbindung lädt …
Bei Karosserie Puck ist die Internetverbindung inzwischen wiederhergestellt, zumindest vorerst. Leiter Pechmann führt profil durch die Werkstatt – ein moderner Gebäudekomplex, in schlichtem Schwarz und Weiß gehalten, die Seitenwände verglast. Wenn man hier so zwischen frisch lackierten Teslas und schicken Audis umherspaziert, vergisst man beinahe, dass sich draußen idyllische Viehweiden erstrecken, auf denen die Heuballen gestapelt sind. Hightech in ländlicher Kulisse. Bis der Internetanschluss in der Werkstatt mit der digitalen Realität des Betriebs Schritt halten kann, muss Puck aber noch eineinhalb Jahre warten.