Die Rechnung zeigt, die Stromkosten für einen Jahresverbrauch von 3500 kWh stiegen um rund 320 Euro im Vergleich zum Vorjahr. 60 Euro davon werden für die höheren Netzentgelte fällig, 100 Euro mehr für Abgaben, die seit Jänner wieder in voller Höhe eingehoben werden. Am stärksten gestiegen ist aber der Energiepreis selbst: 150 der 320 Euro entfallen auf den Strompreis, da dieser seit dem Ende der staatlichen Strompreisbremse nicht mehr gestützt wird, zeigen die Berechnungen der E-Control. Sie drückte zwar die Kosten für die Stromkunden, erwies sich aber als sehr teurer Budgetposten.
Drei oder 110 Netzbetreiber?
Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien stresst die Netze, die auf die Volatilität in der Erzeugung nicht vorbereitet sind. Konkret rechnet Österreichs E-Wirtschaft mit Investitionen von 24 Milliarden Euro bis 2030 und 42 Milliarden bis 2040. „Wir rechnen mit vier bis acht schwierigen Jahren des Übergangs. Wir müssen in dieser Zeit viel investieren“, sagte die Geschäftsführerin der Kärnten Netz GmbH, Eva Tatschl-Unterberger, vor einigen Monaten gegenüber profil.
Damit lässt sich der Preisanstieg aber nur zum Teil rechtfertigen. In Österreich kümmern sich 110 Netzbetreiber, um die einzelnen Netzabschnitte. ÖVP-Bundeskanzler Christian Stocker forderte eine Reduktion der Netzbetreiber von 110 auf 80. Da sei das Einsparungspotenzial begrenzt, heißt es von Energieexperten. Für die Energiesprecherin der Neos, Karin Doppelbauer, geht es um andere Größenverhältnisse. „Ich finde drei statt 110 sinnvoll“, sagt sie. Das vereinfache Einkauf, gemeinsamen Ausbau und Digitalisierung.
Ähnlich wie die Energieversorger sind auch die Netzbetreiber oft eng mit der Landespolitik verzahnt. Ein Beispiel von vielen: Der Aufsichtsratsvorsitzender der Energie AG – Energieversorger und Netzbetreiber Oberösterreichs – ist der oberösterreichische Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP).
Fast 200 Millionen Gewinn
Die Devise der E-Control ist: „Bei den Netzbetreibern sollte der Gewinn überschaubar sein, beim nichtregulierten Energiehandel und der Produktion fällt mehr Gewinn an.“ Und tatsächlich fallen die Nettoeinnahmen der Netzbetreiber kleiner aus, aber auch sie schreiben Profite. Werden die Gewinne dann nur für den Ausbau verwendet oder bessern sie etwa auch das Budget der beteiligten Landesregierungen auf? Die oberösterreichische Energie AG gehört zur Hälfte ihrem Heimatbundesland und ist dort gleichzeitig Netzbetreiberin. Dieses Segment erwirtschaftete über die Jahre operative Ergebnisse zwischen 30 und 40 Millionen Euro pro Jahr. Was passierte damit? Das Unternehmen betont auf profil-Anfrage die hohen Investitionen im Vorjahr und heuer: „Im Segment Netz konnten 2023/24 Investitionen in der Höhe von Euro 158,7 Millionen Euro verzeichnet werden.“
Beim Netz Niederösterreich, das zur EVN gehört, stieg der Gewinn im Vorjahr auf 195 Millionen Euro an. In den Jahren davor verzeichnete die EVN-Tochter auch Bilanzgewinne jenseits der 100 Millionen Euro. Auch hier betont man die hohen laufenden Investitionen: „Die Investitionen im Segment beliefen sich auf 399,8 Millionen Euro. Im laufenden Geschäftsjahr 2024/25 rechnen wir auf Konzernebene mit Investitionen in der Höhe von 900 Millionen Euro, davon die Hälfte ins Netz in Niederösterreich.“ Die Netze trugen im vergangenen Geschäftsjahr aufgrund der Investitionen nicht zur EVN-Dividende bei, früher war das anders.
Kann man die Kosten senken?
Seit zwei Jahren steigen die Investitionen stark und übersteigen mittlerweile auch die Jahresgewinne. Die Frage bleibt, ob das nicht erst eine sehr neue Entwicklung ist und der Ausbauboom reichlich spät begann. Neu ist die Erkenntnis allerdings nicht. Bereits in den Netzausbauplänen der 2010er Jahre finden sich Bekenntnisse zum verstärkten Ausbau wegen des erneuerbaren Stroms. Tatsächlich stiegen allerdings erst vor zwei Jahren stiegen die Investitionssummen kräftig an.
Um diese Investitionen zu fördern, erhöhte die E-Control in Absprache mit den Sozialpartnern die Verzinsung des Eigenkapitals der Netzbetreiber. Der Zinssatz lag bis zum Vorjahr bei sieben Prozent, dann stieg er auf neun Prozent an. Das ist relativ hoch und soll potenzielle private Investoren anlocken, damit sie in die Netze investieren. So weit, so logisch.
Aber: „Die Netze sind in öffentlicher Hand, größtenteils. Man muss also keine privaten Investoren anlocken oder zufriedenstellen“, sagt Energieexperte Joel Tölgyes von der Arbeiterkammer. Die hohen Zinsen, die das Investment attraktiv machen sollten, verteuern es aber auch und führen dazu, dass die Entgelte letzten Endes höher werden. „Da meist der Staat oder das Land die Geldgeber sind, würden niedrigere Zinsen den Ausbau nicht verlangsamen.“ Um Kapital für den Netzausbau zu haben und gleichzeitig die Ausbaukosten zu senken, schlägt Tölgyes eine öffentliche Co-Finanzierung vor. Der Bund könnte seine eigenen günstigen Finanzmarktkonditionen nutzen, um allen Netzbetreibern eine günstige Finanzierung zur Verfügung zu stellen.
Auch für E-Control-Chef Wolfgang Urbantschitsch gibt es hier Diskussionsbedarf: „Eine Zinssatzsenkung wäre ein sinnvoller Hebel, um die Netzentgelte zu senken. Die Eigentümer müssten sich dann aber mit niedrigeren Zinssätzen zufriedengeben.“ Dann haben sie auch ihre Ruhe wieder.
Mitarbeit: Julian Kern