Kickl im Faktencheck: Falsch bei Erneuerbaren, richtig bei Förderungen
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Energiepreise und Stromnetze
Das (der Ausbau von Photovoltaikanlagen und Windkraft; Anm.) finanziert sich nicht selber, sondern das zahlen die Stromkunden auf der Stromrechnung und das ist ja der Grund, warum die Stromrechnung so hoch ist.
Größtenteils falsch
Jahrzehntelang war Österreich beim Erdgas von Russland abhängig. Und geht es nach Herbert Kickl (FPÖ), dann sollte Österreich auch heute noch Gas (Pipelinegas und LNG; Anm.) aus Russland beziehen. Von ORF-Moderator Klaus Webhofer gefragt, ob es nicht gescheiter wäre, Photovoltaikanlagen und die Windkraft auszubauen, antwortete Kickl, dass er damit gar kein Problem habe. Sehr wohl aber mit der „halsbrecherischen“ Geschwindigkeit, in der das geschehe. Denn damit einher gehe auch der Ausbau der Netze, der „uns in kürzester Zeit Milliarden kostet, wo uns die Photovoltaikanlagen Milliarden in kürzester Zeit kosten.“ Und das sei auch der Grund, „warum die Stromrechnung so hoch ist.“ Doch ganz so einfach wie von Kickl dargestellt, ist das Thema Erneuerbaren-Ausbau, Netzentgelte und die Entstehung des Strompreises nicht.
„Steigende Stromkosten am Erneuerbaren-Ausbau festzumachen, greift zu kurz“, sagt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur zu profil. Herbert Kickl erwähnte im ORF-Sommergespräch völlig richtig, dass der Gaspreis am europäischen Strommarkt maßgeblich zur Preisbildung beiträgt (Merit-Order; Anm.). Dass dieses Prinzip vor allem mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine (im Februar 2022; Anm.) und den darauf folgenden Sanktionen, Lieferunterbrechungen und Lieferstopps schlagend wurde, ließ Kickl im Sommergespräch unerwähnt. Der russische Angriffskrieg löste die Energiekrise aus – und damit den zentralen Grund für die Preissprünge der vergangenen Jahre. Gas musste aus anderen Ländern importiert, neue Lieferwege und Speicher aufgebaut werden. Genau um diesen Einfluss künftig zu reduzieren, wird die Stromproduktion aus Wasser-, Sonnen- und Windkraft europaweit erhöht.
Auf Nachfrage, welche Faktoren der FPÖ-Chef nun als ausschlaggebend für hohe Stromrechnungen sieht, antwortet ein Sprecher: „Auf der einen Seite der hohe Gaspreis, auf der anderen Seite die hohen Kosten für den Netzausbau, der aufgrund des Tempos beim Ausbau erneuerbarer Energieträger entsprechend rasch vonstattengehen muss und deshalb finanziell auch zeitnah schlagend wird.“ Und: „Auch wenn die Gaspreise künftig sinken, müsste wiederum die aus unserer Sicht kontraproduktive CO2-Strafe bezahlt werden, was ebenfalls negative Auswirkungen auf den Preis für die Endkunden hätte“, so der Sprecher der FPÖ. Doch spätestens ab hier stimmt die Argumentation der FPÖ nicht mehr.
Welchen Anteil haben die Netzentgelte auf den Energierechnungen wirklich?
Nachgefragt bei der Regulierungsbehörde E-Control. Zwischen September 2024 und September 2025 stiegen die Stromkosten für einen Jahresverbrauch von 3500 kWh um rund 320 Euro. Johannes Mayer, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der E-Control, rechnet vor: 60 Euro entfallen auf die höheren Netzentgelte, 100 Euro entfallen auf Abgaben, die seit Jänner wieder eingehoben werden, den allergrößten Anteil macht aber der Energiepreis selbst aus: 150 der 320 Euro entfallen auf den Strompreis, da dieser seit dem Ende der staatlichen Strompreisbremse nicht mehr gestützt wird. Weitere zehn Euro kommen an Umsatzsteuer hinzu. „Der Wegfall der Kosten-Bremse ist also Hauptgrund der errechneten Teuerung“, sagt Mayer zu profil.
Der Strom wirkt 2025 also deutlich teurer, weil die Stromkostenbremse weggefallen ist. Aufgrund dieses Zuschusses haben die Haushalte in der Vergangenheit weniger bezahlt, dadurch ergebe sich nun ein Anstieg von rund 35 Prozent. „Ohne den Wegfall der Kostenbremse wären die Preise aber nur um etwa sieben Prozent gestiegen“, so der E-Control-Experte.
Dass es für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger einen Um- und Ausbau der Netze braucht, ist unbestritten, „gestiegene Netzkosten aber rein auf den Zuwachs bei Windrädern und PV-Anlagen zurückzuführen, geht nicht“, erklärt Dolna-Gruber. Bestehende Netze müssen instand gehalten werden, auch Betriebsansiedelungen oder der Ausbau von Ladestationen für Elektroautos wirken sich auf den Netzausbau aus. Als Preistreiber beim Netzausbau gelten zudem gestiegene Zinsen und die Inflation: „Transformatoren, aber auch andere Komponenten und Dienstleistungen rund um die Stromnetze sind in den letzten Jahren teurer geworden“, so Dolna-Gruber.
Fazit
Die Aussage, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieträger und der damit einhergehende Netzausbau für die derzeit hohen Energierechnungen (haupt-)verantwortlich sei, ist größtenteils falsch. Tatsächlich stiegen die Preise vor allem wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, der den europäischen Gaspreis nach oben trieb. Um die Konsumentinnen und Konsumenten zu entlasten, hat die türkis-grüne Vorgängerregierung zahlreiche Hilfsmaßnahmen beschlossen, die zu Jahresbeginn 2025 ausgelaufen sind. Laut der Regulierungsbehörde E-Control fällt der Wegfall der Stromkostenbremse auf den Energierechnungen am schwersten ins Gewicht. Der von Kickl angesprochene Netzausbau spielt zwar ebenfalls eine Rolle, erklärt aber nur 19 Prozent des Preissprungs.
Förderungen
Alleine, wenn wir in einem ersten Schritt bei den Förderungen auf das Vor-Corona-Niveau zurückgeht, dann können wir fünf bis sechs Milliarden Euro einsparen.
Fakt
Österreich hat im EU-Vergleich die siebthöchste Förderquote. Die Summen, die vom Staat an Subventionen ausgeschüttet werden, sind beträchtlich, und sie schnellten in den vergangenen Jahren weiter nach oben. Grund dafür waren vor allem die Versuche der türkis-grünen Regierung, die negativen Wirtschaftseffekte von Corona- und Energiepreiskrise durch mehrere neue Förderprogramme abzumildern. Stichwort: „Koste es, was es wolle.“
Es ist unerheblich, welchen Förderbegriff man heranzieht: Die Aussage von Kickl ist richtig.
Nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) schüttete die Republik 2019 in Summe 16,8 Milliarden Euro an direkten und indirekten Förderungen aus. 2024 waren es bereits 29,6 Milliarden. Ein nominales Plus von 12,8 Milliarden oder 76 Prozent, wie Wifo-Ökonom Hans Pitlik vorrechnet.
Das ist sogar deutlich mehr, als die von Kickl skizzierten fünf bis sechs Milliarden.
Dazugesagt: Dieser Wert wird 2025 voraussichtlich sinken, weil etwa der Klimabonus abgeschafft wurde und auch einige Energie-Subventionen auslaufen. Doch ein deutliches Plus gegenüber 2019 wird bleiben. Daher ist Kickls Aussage für Pitlik „formal korrekt“.
Laut nationaler Förderdefinition wiederum, auf die sich auch ein Kickl-Sprecher auf Anfrage bezieht, ist das Ergebnis ähnlich: Die direkten Transfers stiegen von 2019 auf 2023 (das Jahr, für das der letzte Förderungsbericht vorliegt) um 4,9 Milliarden Euro, die indirekten um über acht Milliarden.
Der starke Anstieg der Ausschüttungen zeigt sich auch in der Förderquote: 2019 betrug sie 5,1 Prozent, zuletzt 6,8 Prozent. Ein Plus von einem Drittel.
Bernhard Grossmann, Büroleiter des Fiskalrats, sieht in diesem Bereich dringenden Handlungsbedarf: „Man hat in der Krise einfach viele Förderungen neu erfunden, die es teilweise noch immer gibt. Den Coronabonus für die Pensionisten zum Beispiel. So kann es natürlich nicht weitergehen. Leuten, die PV-Anlagen ohnehin kaufen wollten, wurde ein Großteil finanziert. Das Problem ist, dass es viel schwieriger ist, eine Förderung abzuschaffen als sie einzuführen. Das kann aber nicht der Grund sein, dass der Staat sämtliche Budgetprinzipien über Bord wirft.“
In der Praxis sind Kürzungen allerdings nicht einfach, wie Wifo-Experte Hans Pitlik anmerkt: „Konkrete Förderungskürzungen im Gesundheitswesen oder Wirtschaftsförderungen würden auf erhebliche politische Widerstände stoßen.”
Die Regierung hat im Spätsommer eine Förder-Taskforce eingerichtet, die aber bloß die Direkttransfers unter die Lupe nehmen will. Die vielen indirekten Förderungen (meist Steuergutschriften und Absetzbeträge) wie der Familienbonus Plus und das Pendlerpauschale bleiben unangetastet. Hier wäre ein großer Hebel. Doch wer an dieser Stelle kürzt, erhöht damit die ohnehin hohe Steuerquote weiter.
Welche Förderungen Kickl konkret kürzen würde, ließ er im Sommergespräch offen. Damit würde er sich sehr schnell unbeliebt machen.
Fazit
Die Förderquote stieg in Österreich seit dem Vorcorona-Jahr 2019 stark an. Zwar laufen heuer mehrere Förderprogramme aus und der Klimabonus wurde bereits abgeschafft - eine Kürzung auf das Niveau von 2019 brächte dennoch ein nominales Einsparungspotenzial, das sogar höher wäre als die von Kickl erwähnten fünf bis sechs Milliarden Euro. Was Kickl allerdings schuldig bleibt, sind konkrete Kürzungsvorschläge.