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Strom und Gas: Wie die Netzkosten künftig sinken sollen

Die Netzkosten für Strom und Gas steigen weiter an. Dagegen helfen sollen laut Kanzler Stocker weniger Betreiber, ein privater Fonds, der den Ausbau mitfinanziert – doch davon fehlt bislang jede Spur. Was wirklich gegen steigende Kosten hilft.

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Energie wird teurer. Schon wieder. Und das liegt mittlerweile weniger an den Preisen für fossile Brennstoffe als an den rasch steigenden Kosten für den Betrieb der Versorgungsnetze. Die Regulierungsbehörde E-Control hat die Netzentgelte für Strom und Gas für das kommende Jahr veröffentlicht. Vor allem für Letzteres explodieren die Preise (je nach Bundesland) regelrecht. Kärnten ist mit einem Plus von 35 Prozent beim Gas Spitzenreiter. Im Burgenland sind die Netzkosten für Strom ab Jänner um 16,1 Prozent höher als heute. Kaum ein Thema regt hierzulande so auf, wie die Energiekosten. Zu Recht. Sie sind einer der Hauptgründe für die nach wie vor hohe Inflation, die schwächelnde Industrie – und auch jeder Haushalt bekommt sie Monat für Monat zu spüren. Und immerhin machen die Netzkosten fast ein Drittel der Energierechnungen aus. Alle fordern: Da muss etwas passieren. Nur was?

Die Regierung tut sich, wie schon ihre Vorgänger, im Kampf gegen diese hohen Kosten schwer. Viel wurde versprochen, wenig gehalten. Bereits vor zwei Monaten skizzierte Bundeskanzler und ÖVP-Parteichef Christian Stocker im ORF-„Sommergespräch“ zwei konkrete Maßnahmen für die Senkung der Netztarife: ein Fonds, gespeist aus privatem Kapital, der Infrastruktur und den Netzausbau mitfinanzieren soll. „Das soll zum einen zu einer Reduzierung der Netzkosten führen. Das andere ist, dass wir die Struktur der Netzgesellschaften bereinigen und auf weniger als 80 im öffentlichen Eigentum reduzieren“, so der Bundeskanzler. Er weiß genau: Wenn die Energiekosten in Summe nicht sinken, wird es nichts mit dem erhofften Wirtschaftswachstum, das die Bundesregierung dringend bräuchte, um die maroden Staatsfinanzen zu sanieren.

Grundsätzlich hat Stocker recht. Hohe Netz- und Energiekosten belasten die Volkswirtschaft und nagen an unserem Wohlstand. Aber keine zwei Monate nach Stockers Versprechen auf günstigere Netzentgelte rückt die E-Control mit Hiobsbotschaften aus. Auch wenn sich die Situation in den Bundesländern unterschiedlich darstellt – im Schnitt zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher pro Haushalt quer durch Österreich nächstes Jahr etwa 77 Euro (brutto) mehr fürs Gasnetz – ein Plus von 18 Prozent. Beim Stromnetz steigen die Gebühren zwar im Schnitt um nur 1,1 Prozent. In einzelnen Bundesländern wie dem Burgenland, Tirol oder Niederösterreich (siehe Grafik) wird sich der Anstieg dennoch bemerkbar machen. 1,1 Prozent wirken auf den ersten Blick zwar moderat. Bedenkt man jedoch, dass der Sprung von 2024 auf 2025 bereits 23 Prozent ausmachte, handelt es sich eher um eine Stabilisierung auf hohem Niveau.

zu sehen ist eine Grafik, die den Anstieg der Strom- und Gasnetzkosten in Österreich zeigt
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Vor allem beim Stromnetz sind die Gründe komplex: In den vergangenen Jahren sind die Kosten für den Ausbau der Netze und die transportierten Mengen etwa im Gleichschritt gestiegen. Das hat den Preis pro Kilowattstunde (kWh) relativ konstant gehalten. Nun steigen zwar die Kosten – weil die Netze ausgebaut werden – aber die verbrauchten Mengen steigen nicht mehr im selben Ausmaß. Der Hauptgrund dafür liegt in der Eigenerzeugung, vor allem durch private Photovoltaik-Anlagen. Haushalte mit Sonnenkraftwerk am Dach können ihren Bezug aus dem Netz halbieren, wodurch sich auch die Menge reduziert, die zur Tarifrechnung herangezogen wird (Cent pro kWh; Anm.). Und wenn diese Menge reduziert wird, steigen die Entgelte für alle restlichen Verbraucher.

Schneller erklärt ist das Problem mit dem Gasnetz: Früher wurde russisches Gas über die Transgas-Pipeline, das via Ukraine und die Slowakei nach Österreich kam, nach Italien weitergeleitet. Das führte dazu, dass Österreich hohe Transiteinnahmen verbuchen konnte. Diese Einnahmen haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass die Gasnetzentgelte für Verbraucher in Österreich geringer sind, weil die Netzkosten zu einem guten Teil von den Transitgebühren finanziert wurden. Seit dem Lieferstopp über die Ukraine fließt das Gas aber nicht mehr durch Österreich nach Italien und Deutschland weiter. Vor Kriegsbeginn flossen zum Beispiel 50 Prozent des italienischen Gasverbrauchs durch Österreich. Heute geht der Gasfluss in die andere Richtung – nämlich von italienischen Flüssiggashäfen nach Österreich. Und damit bezahlt Italien auch so gut wie nichts mehr für den Gastransit durch die Alpenrepublik. Hinzu kommt: In Österreich wird weniger Gas verbraucht. Im Vergleich zur Zeit vor Beginn des Ukraine-Krieges ist der Gasverbrauch im Mittel um 16 Prozent gesunken. Zum einen rüsten Haushalte beim Heizsystem um, milde Winter und eine strauchelnde Wirtschaft tragen zusätzlich dazu bei, dass in Summe weniger Gas verbrannt wird. Das ändert aber nichts daran, dass die Infrastruktur bezahlt und erhalten werden muss. Egal wie viel Gas durchfließt. Dieses Netz – in Teilen zurückzubauen – würde Kosten senken.

Die hohen Energiekosten sind ein zentraler Grund, warum Österreich im EU-Vergleich eine nach wie vor hohe Inflation aufweist. Denn: Energiekosten schlagen sich nicht nur in der Produktion von Gütern nieder. In Österreich sind viele Preissteigerungen an den sogenannten Verbraucherpreisindex (VPI) und somit an die Inflation gekoppelt – weshalb man in Gesprächen mit Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern oder Forschern früher oder später immer wieder bei genau diesen Energiepreisen landet. Egal ob es um Kollektivvertragsverhandlungen, Lebensmittelpreise oder Wohnkosten geht. Die Energiepreise und damit auch die Netzentgelte bestimmen also mit, um wie viel unsere Mieten und Handyverträge steigen, wie viel mehr wir für Essen zahlen und wie sich die Gehälter im Land und damit die Wettbewerbsfähigkeit im Ausland entwickeln.

Wie also dem Problem mit den Netzkosten begegnen? Stockers Vorschlag: Mehr Geld für den Ausbau und eine Reduktion der insgesamt 112 Stromnetzbetreiber – von den Wiener Netzen bis hin zum „Licht- und Kraftstromvertrieb“ der Gemeinde Opponitz. Klingt eigentlich vernünftig, oder?

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.