Baby mit braunen Haaren schaut aus einem gelben Karton
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Biotech Barbie: Ist die Zeit reif für genetisch veränderte Babys?

Die bestens vernetzte Unternehmerin Cathy Tie alias Biotech Barbie befürwortet gentechnisch modifizierte Babys. Was sagt die Wissenschaft dazu?

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Die Kanadierin Cathy Tie nennt sich selbst „Biotech Barbie“, hat bereits zwei erfolgreiche Gentechnik-Startups gegründet und will mit ihrem neuen New Yorker Unternehmen Manhatten Genomics ein weltweites Tabu brechen. Das Ziel: gentechnisch veränderte Babys ohne Erbkrankheiten. „Viel zu lange wurden Erbkrankheiten als Schicksal hingenommen. Mit innovativer Technologie und den richtigen ethischen Richtlinien können wir das ändern“, kündigt Cathy Tie auf der Website ihres Unternehmens an.

Das erinnert an den chinesischen Genetiker He Jiankui. Er hatte 2018 stolz die Geburt der Zwillingsmädchen Nana und Lulu bekannt gegeben, die durch seine Manipulation mit der Genschere CRISPR angeblich HIV-resistent sein sollen (nachzulesen hier). Der Aufschrei war groß – und bescherte He den Spitznamen „Chinas Frankenstein“. 

Blitz-Ehe: Barbie und Frankenstein

Drei Jahre saß He für die in China (und fast überall auf der Welt) illegale Manipulation menschlicher Embryos im Gefängnis. Was danach passierte, könnte aus einer schlechten Hollywood-Romanze stammen: He Jiankui und Cathy Tie lernten sich Anfang dieses Jahres in China kennen, verliebten sich und heirateten im vergangenen April, wie sie die Welt via X und Instagram ausführlich wissen ließen.

He Jiankui im Anzug vor Mikrofonen 2023
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Sie besorgte zwei silberne Eheringe aus ineinander verschlungenen DNA-Strängen. Er gründete ein Unternehmen namens Cathy Medicine, in dem gegen Alzheimer und Krebs resistente Babys entstehen sollen. Ob Cathy Tie ihm bei diesem Plan persönlich beistehen kann, ist fraglich. Die chinesischen Behörden verweigerten ihr im Mai die Einreise und ihrem Ehemann die Ausreise. Mittlerweile spricht einiges für ein Ende der Ehe: Cathy Tie postete im Juli ein Foto der beiden Doppelhelix-Ringe mit den Worten zu verkaufen".

Bestens vernetztes Wunderkind

So bizarr das alles klingen mag: Es wäre ein Fehler, Cathy Tie zu unterschätzen. Sie war vier Jahre alt, als ihre Eltern von China nach Mississauga, Kanada, auswanderten. Die Studentin der Biotechnologie galt an der University of Toronto als eine Art Wunderkind, als der US-Großinvestor und Tech-Milliardär Peter Thiel der damals 18-Jährigen ein Förderstipendium gewährte, mit dem sie das bald florierende Gentest-Start-up Ranomics gründete. Wer nun ihr neues Unternehmen Manhatten Genomics finanziert, will Tie zwar nicht sagen – sie ist im Silicon Valley aber bestens vernetzt.

Ist die Gentechnik wirklich weit genug?

„Es gibt große Fortschritte in der Gentechnologie, die sie sicherer und genauer machen“, sagt Cathy Tie dem Magazin „Nature“. Aber sind die Fortschritte groß genug, um sich an die Manipulation von menschlichen Embryos zu wagen? Die meisten Wissenschafterinnen und Wissenschafter würden diese Frage mit nein beantworten. „Wir sind auf keinen Fall soweit“, sagt etwa die Biochemikerin Alexis Komor von der University of California San Diego, auch wenn sich die Methoden seit der Geburt von Lulu und Nana 2018 verfeinert haben. „Wir kennen immer noch nicht das volle Spektrum der unerwünschten Folgen solcher Eingriffe.“

Manipulationen werden weitervererbt

Niemand weiß, mit welchen Konsequenzen die Mädchen Lulu und Nana leben müssen. Laut eigenen Angaben benutzte He Jiankui die Genschere CRISPR, um aus der Keimbahn der Embryos den Rezeptor CCR5 zu entfernen. CCR5 bietet das Einfallstor für das HI-Virus in den menschlichen Körper. Die Krux ist freilich: Man weiß nicht, welche Funktion der Rezeptor sonst noch hat. Wäre er ausschließlich eine Gefahr, hätte ihn die Evolution wohl bereits aus unserem Genom beseitigt. Es besteht der Verdacht, dass CCR5 auch beim Immunsystem und bei der Gehirnentwicklung eine Rolle spielt.

Ein weiteres Problem: Hes Manipulationen werden mit großer Wahrscheinlichkeit vererbt. Sie werden also auch die Nachfahren der Mädchen betreffen. Nicht zuletzt deshalb sind Eingriffe in menschliche Keimzellen in fast allen Ländern der Welt verboten. Cathy Tie glaubt, dass sich das bald ändern könnte. „Die Mehrheit der Amerikaner unterstützen diese Technologie“, behauptet sie.

Franziska Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.