Eine EU-Fahne weht vor einem Fabriksschlot, der Rauch ausstößt
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EU-Gipfel: Wie viel CO2 darf die EU 2040 noch ausstoßen?

Ab Donnerstag verhandeln die EU-Spitzen das Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050. Warum das so wichtig ist.

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Warum ringt Europa so heftig um 90 Prozent?

Die EU-Kommission hat für 2040 eine Reduktion von 90 Prozent im Vergleich zu 1990 vorgeschlagen – und das sei auch unbedingt nötig, sagt der Klimaforscher Keywan Riahi im profil-Gespräch. Er ist einer der meistzitierten Forscher der Welt und berät die EU im Wissenschaftlichen Beirat für Klimawandel. Nur mit diesem Zwischenziel schaffe es die EU, das endgültige Ziel zu erreichen: null Emissionen bis 2050. Und es gibt ein weiteres Problem: Könne sich die EU bis zur Klimakonferenz Anfang November in Brasilien nicht auf einen Pfad für 2040 einigen, hätte das „eine verheerende Signalwirkung mit Dominoeffekt“, warnt Riahi. 

Warum ist der EU-Pfad so wichtig für die Welt?

Weil bei der anstehenden Klimakonferenz alle teilnehmenden Staaten ihre Ziele für die nächsten Jahre abgeben. Wenn die EU nicht liefert, haben auch China, Indien und andere Staaten wenig Motivation, ehrgeizige Ziele zu formulieren.

Wie hoch stehen die Chancen auf eine Einigung beim EU-Gipfel?

Eher ungünstig. Eigentlich hätte der Fahrplan für 2040 schon im vergangenen September im Umweltministerrat beschlossen werden sollen – da wäre nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Beschluss nötig gewesen. Doch viele Staaten wünschen sich eine Verschnaufpause, zum Beispiel Frankreich, das auf den Bau von Atomkraftwerken setzt und damit nicht recht weiterkommt. Aber auch Deutschland und Österreich bremsen, weil sie ihren Zielen hinterherhinken. Deshalb verschob man die Entscheidung in den Rat, wo Einstimmigkeit nötig ist. „Dass diese zustande kommt, ist unwahrscheinlich“, sagt Klimaforscher Riahi.

Kann es vor der Klimakonferenz in Belém trotzdem noch klappen?

Möglicherweise mit Abstrichen. „Es ist davon auszugehen, dass der Vorschlag der Kommission noch weiter abgeschwächt wird“, befürchtet Katharina Rogenhofer, Chefin des Kontext-Instituts für Klimafragen. Entweder indem man die 90 Prozent verringert – oder indem man verstärkt auf Kompensationsprojekte im EU-Ausland setzt (die Kommission hatte sie in einem Ausmaß von drei Prozent vorgeschlagen, was bereits auf scharfe Kritik stieß).

Was ist an internationalen Kompensationsprojekten auszusetzen?

Katharina Rogenhofer nennt sie „Scheinklimaschutz“, und auch Klimaforscher Keywan Riahi hält davon wenig. „Es ergibt keinen Sinn, wenn Europa zum Beispiel Regenwald im Amazonas kauft. Wenn sich dort die politische Lage ändert, wird der Wald möglicherweise trotzdem abgeholzt“, erklärt Riahi. Sein Gegenvorschlag: Die europäische Industrie dabei zu unterstützen, selbst CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. 

Wie sähen solche CO2-Speicher aus?

„Es gibt viele vielversprechende Technologien“, sagt Riahi. Etwa das Mahlen von Basaltgestein, das große Mengen CO2 dauerhaft speichern kann. Oder die Produktion von Pflanzenkohle: Dabei werden pflanzliche Abfälle aus der Holzindustrie oder Gärten unter Ausschluss von Sauerstoff über viele Stunden erhitzt, wodurch der Kohlenstoff, anders als bei der Verbrennung, gebunden bleibt. Übrig bleibt ein wertvolles Bodenverbesserungsmittel, das die Fruchtbarkeit erhöht und Nährstoffe speichert. In diesen Technologien Vorreiter zu werden, wäre zielführender, als sich mit Zertifikaten im EU-Ausland noch ein paar fossile Jahre zu erkaufen, erklärt Klimaforscher Riahi.

Franziska Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort, ihre Schwerpunkte sind Klima, Medizin, Biodiversität, Bodenversiegelung und Crime.