Es ist nicht zu leugnen, dass mit Amtsantritt von Donald Trump Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine plötzlich möglich schienen. Trump selbst befeuerte diese Erwartung, indem er in seinem Wahlkampf versprach, den Krieg „in 24 Stunden“ zu beenden. Später bekannte er, unterschätzt zu haben, wie schwierig diese Aufgabe sei. Die Zuversicht, es zu schaffen, hat er dennoch bis heute behalten.
Wie hat Trump es geschafft, dass ein Friedensprozess möglich scheint?
Trumps Gesprächspartner, von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bis Ukraines Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj, werden nicht müde, dem US-Präsidenten für seine „persönlichen Anstrengungen, diesen Krieg zu beenden“ (Zitat Selenskyj) zu danken. Aber was genau hat Trump getan, um Wladimir Putin dazu zu bewegen, an einem beginnenden Friedensprozess teilzunehmen? Trump selbst ist der Meinung, es liege ausschließlich an seinen guten Beziehungen zu Putin.
Was der US-Präsident auf persönliche Freundschaft zurückführt, hat jedoch mit fundamentalen Änderungen im Umgang mit Putin zu tun:
Joe Biden, Trumps Vorgänger im Weißen Haus, ließ keinen Zweifel daran, dass Russland der alleinige Aggressor sei – Trump hingegen beschuldigt neben Putin auch Selenskyj (und Biden), für den Krieg verantwortlich zu sein.
Biden und viele europäische Regierungschefs beschuldigen Russland, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Trump tut das nicht.
Biden und die NATO versicherten der Ukraine, sie mit Waffenlieferungen zu unterstützen, bis der Krieg beendet sei. Trump setzte Waffenlieferungen vorübergehend aus und deutete mehrmals an, sie gänzlich einstellen zu wollen.
Die europäischen Verbündeten wollen Putin als Angeklagten vor dem Internationalen Strafgerichtshof sehen, Biden nannte Putin einen „Killer“. Trump hingegen stellt Russland in Aussicht, sofort nach Kriegsende die diplomatischen Beziehungen zu normalisieren und „wunderschöne Geschäfte“ zu machen. Biden und die Europäer schlossen aus, die russische Annexion der Halbinsel Krim anzuerkennen. Trump sagte öffentlich, die Ukraine müsse die Hoffnung begraben, die Krim zurückzubekommen.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte sagt noch im Oktober 2024 bei einem Besuch in Kiew: „Die Ukraine ist der NATO so nahe wie nie zuvor. Sie wird auf diesem Weg weitergehen, bis sie die NATO-Mitgliedschaft sicher hat.“ Trump widerspricht und schließt einen NATO-Beitritt der Ukraine aus.
All dies ergibt zusammengenommen eine Position, die Putin sehr entgegenkommt. Es wäre aus seiner Sicht unklug, dies nicht zu erwidern. Er muss annehmen, dass es für ihn nützlich sein kann, Gespräche über eine Friedenslösung nicht prinzipiell abzulehnen. Also macht er mit, und das kann Trump als seinen Erfolg verkaufen. Mit welchen Zugeständnissen der US-Präsident diese Kooperation erkauft hat, erwähnt er nicht.
Worin besteht das Dilemma mit den Sicherheitsgarantien?
Ein großer Durchbruch sei gelungen, jubelte das Weiße Haus im Anschluss an den Alaska-Gipfel von Trump und Putin. Die Neuigkeit: Putin habe akzeptiert, dass Europa und die USA der Ukraine Sicherheitsgarantien geben würden.
Das bedeutet, dass im Fall eines Friedensvertrags europäische Staaten – die Rede ist von zehn Staaten, angeführt von Großbritannien und Frankreich – die neue Grenze zwischen Russland und der Ukraine absichern. Die USA wiederum wären nach den Worten von Donald Trump bereit, im Ernstfall Unterstützung aus der Luft zu leisten.
Eine solche Sicherheitsgarantie würde es der Ukraine erlauben, sich auf einen Vertrag mit Russland einzulassen, denn das – wenig verlässliche – Wort Putins, die Ukraine nicht erneut anzugreifen, wäre durch die Zusicherungen Europas und Washington gestützt.
Doch aus Russland kam umgehend Widerspruch. Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, sagte, ihr Land würde die Stationierung von Soldaten aus NATO-Staaten in der Ukraine kategorisch ablehnen. Dies könne nämlich zu einer „unkontrollierbaren Eskalation des Konflikts mit unvorhersehbaren Folgen führen“. Moskau geht sogar noch einen Schritt weiter. Am Mittwoch erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow vor Reportern, dass Russland Teil der zukünftigen Sicherheitsgarantien der Ukraine sein müsse. Der Aggressor als Friedensgarant – diese für Kiew unannehmbare Idee gewährleistet ein Scheitern der Verhandlungen.
Damit bleibt auch in diesem Punkt fraglich, ob Putin und Trump bei ihrem Gespräch in Alaska etwas vereinbart haben, das als Basis für Verhandlungen taugt.
Gibt es demnächst ein Treffen von Putin und Selenskyj?
Friedensprozesse folgen keinen starren Regeln. Am Ende zählt, dass der Krieg beendet wird. Dennoch ist bemerkenswert, wie Trump den Ablauf der Ereignisse choreografiert. Den Auftakt machten zwei aufsehenerregende Gipfel, erst mit Putin, danach mit Selenskyj, Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, und den Staats- und Regierungschefs Macron, Keir Starmer (UK), Friedrich Merz (D), Giorgia Meloni (I), Alexander Stubb (Fin). Das Weiße Haus verkündete nach beiden Ereignissen „Fortschritte“, doch welche dies genau waren, blieb unklar.
Trump sagt, er arbeite an einem Treffen von Selenskyj und Putin und sei optimistisch, dass dies zustande komme. Doch während Selenskyj sich dazu jederzeit bereit erklärt, äußert sich Putin öffentlich überhaupt nicht. Ein Sprecher des Kremls spricht von „höherrangigen Vertretern“, die zu einem Treffen kommen könnten, und Außenminister Sergej Lawrow meint, ein Gipfeltreffen müsse „sehr gut vorbereitet sein“. Auch der ventilierte Vorschlag, Selenskyj solle Putin in Moskau treffen – was ebenso absurd wäre wie ein Meeting in der ukrainischen Hauptstadt Kiew –, deutet darauf hin, dass Russland die Sache bloß in die Länge ziehen möchte. Alle aktuellen Wortmeldungen aus Moskau klingen stark nach einem „Njet“.
Das Problem ist, dass bei den pompösen Gipfeltreffen wenig Konkretes fest vereinbart wurde – wie etwa der weitere Verlauf des Prozesses.
Der Begriff klingt recht versöhnlich, bei einem Tausch kriegt schließlich jeder etwas. Im Fall der Ukraine führt der Begriff eher in die Irre. Russland, der Aggressor, hat noch keine präzisen Forderungen öffentlich gemacht, doch Experten wie der britische Militäranalyst Michael Clarke können erahnen, welche Gebiete Putin seinem Reich einverleiben möchte.
Da wäre zunächst der Donbass, die Region im Osten der Ukraine. Die russischen Streitkräfte haben einen Großteil dieses Territoriums erobert, jedoch nicht alles. Die Gegend rund um vier Städte, darunter Kramatorsk und Sloviansk, wird von der ukrainischen Armeeführung als „Festungsgürtel“ bezeichnet. Hier wurden schon vor mehr als zehn Jahren Verteidigungsanlagen errichtet, die allen russischen Angriffen bisher standgehalten haben. Russland will offenbar den gesamten Donbass und damit auch diese Gebiete, die von der Ukraine kontrolliert werden.
Außerdem will Russland die Halbinsel Krim behalten, was Donald Trump ihr bereits quasi zugestanden hat. Darüber hinaus wird Putin nach Meinung von Militäranalyst Clarke auch den Landzugang bis zur Halbinsel fordern, was wiederum die von Russland besetzten ukrainischen Städte Mariupol und Melitopol endgültig in russische Herrschaft überführen würde. Als Gegenleistung würde Russland möglicherweise von weiteren Eroberungen absehen.
Was bekäme die Ukraine? Am ehesten das Atomkraftwerk Saporischschja, das für die Energieversorgung des Landes eminent wichtig ist. Donald Trump hat im März dieses Jahres vorgeschlagen, dass die USA alle vier Atomkraftwerke übernehmen könnten, was er als De-facto-Sicherheitsgarantie interpretierte.
Insgesamt scheint der mögliche Deal für die Ukraine denkbar unvorteilhaft: Selenskyj müsste auf Territorium verzichten, das Russland noch gar nicht erobert hat, und bekäme dafür so gut wie gar nichts zurück. So viel zum Thema „Gebietsabtausch“.
Jedenfalls nicht so nahe, wie es kurzfristig scheinen mochte. Das spektakuläre, als „historisch“ gefeierte Gipfeltreffen von Trump und Putin in Alaska weckte Hoffnungen, die in den Tagen seither bereits überzogen wirken.
Bereits am Montag, drei Tage nach Putins Besuch in den USA, griffen russische Streitkräfte die Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine an. Ein Gebäude wurde schwer beschädigt und fing Feuer, sieben Menschen wurden laut Behördenangaben getötet, 20 verletzt. Drei weitere Menschen starben bei einem Angriff auf die Stadt Saporischschja im Süden des Landes.
Aber nicht nur die fortgesetzten Kampfhandlungen rücken die Chance auf Frieden in weite Ferne. Auch die Tatsache, dass in den wesentlichen Streitpunkten keinerlei Annäherung gelungen scheint, stimmt pessimistisch.
„Ich glaube, Putin will für mich einen Deal schließen, so verrückt das klingen mag“, flüsterte Trump Macron zu, ohne zu wissen, dass Mikrofone eingeschaltet waren. Der US-Präsident glaubt also fest daran, dass Putin Frieden schließen will. Allerdings sind auch Trump-freundliche Medien wie die „New York Post“ bereits skeptisch. „Die einzige Sprache, die Putin versteht, ist Geld“, heißt es im Editorial der „Post“, die vehement schärfere Sanktionen gegen Russland fordert.
Das Bild geht um die Welt: Donald Trump thront im Oval Office des Weißen Hauses hinter seinem Schreibtisch, dem „Resolute Desk“ aus Eichenholz, der mit Unterbrechungen seit 1880 US-Präsidenten als Arbeitsplatz dient. Auf der anderen Seite des Tisches sitzen im Halbkreis die sieben Gäste aus Europa – Meloni, von der Leyen, Merz, Macron, Stubb, Selenskyj und Rutte. Die Botschaft: Trump hält Hof, die kleinen Europäer dürfen zuhören.
Antieuropäer wie die französische Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen kommentierten das Foto hämisch. Es entlarve die „Lüge“ von der Macht eines gemeinsamen Europas. Das Bild mag tatsächlich unvorteilhaft wirken, doch bisher hatten alle Treffen von EU-Regierungschefs den erwünschten Effekt, US-Präsident Trump wieder näher an die europäische Position heranzuführen. Was nicht heißt, dass Trump sich mit den Europäern auch nur annähernd so eng abstimmt, wie sein Vorgänger Biden dies tat. Die europäische Forderung, dass Putin vor Beginn des Verhandlungsprozesses einem Waffenstillstand zustimmen müsse, verwarf Trump beim Treffen mit Putin in Alaska kommentarlos. Aber immerhin sind die USA offenbar dazu bereit, eine von den Europäern getragene Sicherheitsarchitektur für die Ukraine auch militärisch zu unterstützen. Wenn dies auch – siehe oben – derzeit wegen der Position Russlands unrealistisch scheint.
Trump ist jedoch klar, dass er die europäischen Partner braucht. Der US-Präsident will die Rolle der USA bei den Sicherheitsgarantien und auch bei der finanziellen Hilfe zum Wiederaufbau möglichst klein halten, also kann Washington die Europäer bei einem allfälligen Friedensprozess nicht gänzlich ignorieren. An einer umfassenden gemeinsamen Strategie hat Trump allerdings kein Interesse.
Das ist die wohl unwichtigste Frage im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, aber die mögliche Aussicht auf diese Ehre scheint ein wichtiges Motiv für Donald Trump zu sein.
Niemand kann vorhersagen, wem das fünfköpfige, vom norwegischen Parlament bestimmte Komitee die Auszeichnung verleiht. Doch fiele die Wahl auf Donald Trump, würde dies mit Sicherheit für einen Eklat sorgen. Denn selbst wenn unter Trumps Vermittlung der Krieg in der Ukraine beendet würde, steht der US-Präsident auch für Entscheidungen, die mit dem Friedensnobelpreis unvereinbar sein dürften: Er beendete den Großteil der Entwicklungshilfe der USA, ließ Migranten ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit in ausländischen Gefängnissen einsperren, und er regte an, die palästinensische Bevölkerung von Gaza abzusiedeln, was ihm wenig überraschend den Vorwurf einbrachte, ethnische Säuberung zu promoten.
Von den nicht ganz 30 noch lebenden Friedensnobelpreisträgerinnen und -trägern gäben wohl einige ihren Preis zurück, wenn Trump diese Auszeichnung zuteilwürde.