Babler im Check: Irreführend bei FPÖ, richtig bei Mieten
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Koalition mit der FPÖ
Die Linie ist unverändert, es gibt Beschlusslagen der SPÖ, die sagen, auf Bundesebene keine Koalition [mit der FPÖ, Anm.]
ORF-Sommergespräch
Irreführend
So ruhig wie aktuell war es in der SPÖ schon lange nicht mehr. Die Kritikerinnen und Kritiker von Parteivorsitzenden Andreas Babler halten sich seit der roten Regierungsbeteiligung Anfang des Jahres zurück.
Nur weil die Konfliktlinien nicht mehr medienöffentlich verhandelt werden, heißt das freilich nicht, dass sie gänzlich verschwunden wären.
Ein traditioneller Streitpunkt der Sozialdemokraten mit ihrem antifaschistischen Anspruch ist das Verhältnis zur FPÖ – also der Frage, ob die SPÖ eine Koalition mit den Freiheitlichen kategorisch ausschließt oder sich zumindest eine Hintertür dafür offenhält.
Babler, der dem linken Flügel der Partei zuzurechnen ist, war in seiner Abgrenzung zu den Freiheitlichen immer unmissverständlich. Weniger Berührungsängste haben schon länger SPÖ-Landesorganisationen wie das Burgenland und die Steiermark. Doch auch die Kärntner wollen sich die blaue Option offenhalten. Daniel Fellner, der wahrscheinliche Nachfolger von SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser, sagte jüngst zur „Presse“: „Ich glaube, dass auch die FPÖ in vielen Ansätzen ein Partner ist, mit dem man zusammenarbeiten kann. Ich glaube, bei ihren Aussagen ist viel Show dabei, um Stimmen zu maximieren.“
Im Sommergespräch wurde Babler am Montag auf diese widersprüchlichen Positionen in seiner Partei angesprochen. Der SPÖ-Chef vermied es, seine Parteifreunde zu kritisieren und sprach über die Ebene, auf der er das Sagen hat: Die Bundespartei. Wörtlich sagte Babler: „Die Linie ist unverändert, es gibt Beschlusslagen der SPÖ, die sagen, auf Bundesebene keine Koalition (mit der FPÖ, Anm.).“
Damit führt Babler allerdings in die Irre. Zwar gibt es tatsächlich historische Bundesparteitagsbeschlüsse, die eine Koalition mit der FPÖ ausschließen – der bisher letzte Beschluss zu den Koalitionsoptionen der SPÖ fiel allerdings am Parteitag 2018. Damals wurde der sogenannte „Wertekompass“ beschlossen, der festlegt, welche Kriterien eine Partei erfüllen muss, um als Koalitionspartnerin der SPÖ infrage zu kommen. Darin wird, anders als früher, keine Partei mehr dezidiert ausgeschlossen. Wer die definierten Werte erfüllt, ist Auslegungssache.
Wenn sich mehrere Parteitagsbeschlüsse widersprechen – welcher gilt dann?
Nachfrage bei Peter Kaiser, der den Wertekompass damals mit Burgenlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil entwarf. Sein Sprecher sagt zu profil: „Für uns gilt der Wertekompass nach wie vor, auch im Bund. Uns wäre kein Beschluss bekannt, der ihn außer Kraft gesetzt hätte.“
Ähnlich beurteilt das Politikwissenschafter Peter Filzmaier: „Auch wenn sich mehrere Beschlüsse widersprechen: Aus den üblichen Gepflogenheiten geht schon hervor, dass der aktuellste Beschluss der gültige ist.“
Die Babler-SPÖ redet nicht so gerne über den Wertekompass. Das PDF ist auf der Partei-Webseite nicht mehr auffindbar, der alte Link führt ins Leere. Das hat laut einem Babler-Sprecher mit einem Relaunch der Webseite im Jahr 2023 zu tun. Auf Nachfrage wird der Parteitagsantrag aus dem Jahr 2018 übermittelt.
Darin heißt es etwa: „Für uns als antifaschistische Partei ist keine Zusammenarbeit mit Parteien und Personen denkbar, die in irgendeiner Form (rechts-)extreme, faschistische oder anderweitig demokratiefeindliche Haltungen und Strömungen unterstützen.“ Aus Sicht des Teams um SPÖ-Chef Babler erfüllt die FPÖ die Anforderungen des Wertekompasses nicht. Aus Sicht von anderen Parteigranden aber schon. Eine Auslegungssache eben, kein dezitierter Ausschluss.
Fazit
Der aktuellste Beschluss zu den Koalitionsoptionen der SPÖ wurde am Bundesparteitag 2018 getroffen und schließt die Freiheitlichen nicht mehr kategorisch aus. Der damals beschlossene Wertekompass legt Kriterien für Koalitionspartner fest, darunter etwa ein Bekenntnis zum Antifaschismus. Ob eine Partei diese Kriterien erfüllt, lässt einen gewissen Interpretationsspielraum, der in der SPÖ in Bezug auf die FPÖ unterschiedlich ausgelegt wird. Bablers Behauptung im Sommergespräch, wonach die Beschlusslage der SPÖ auf Bundesebene ganz generell „keine Koalition“ mit den Freiheitlichen ermöglichen würde, ist somit zumindest irreführend.
Beiträge von Unternehmen zur Budgetkonsolidierung
Wir haben uns darauf verständigen müssen, mit zwei Partnern, die das nicht so gesehen haben, dass wir vermögensbezogen beispielsweise jetzt eine Bankenabgabe haben, die auch nicht selbstverständlich war, durchgekämpft worden sind mit Milliardenbeiträgen für das Budget, Krisen, aus den Energieerhaltungsbeiträgen, aus Energiekonzernen, Stiftungssteuer, Immobilienspekulationen besteuern.
ORF-Sommergespräch
Größtenteils richtig
Es ist eine SPÖ-Kernforderung: Vermögende sollten hierzulande einen größeren finanziellen Beitrag leisten. In Form einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer, so forderten die Sozialdemokraten das vor der Nationalratswahl im Vorjahr. Mit den beiden Koalitionspartnern ÖVP und Neos konnte man sich darauf nicht einigen, sie schließen Erbschafts- und Vermögenssteuern („Millionärsteuer“) kategorisch aus. Dennoch wollte Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) im ORF-Sommergespräch auf die rote Handschrift beim Generieren neuer Einnahmen hinweisen. Als SPÖ habe man eine Bankenabgabe, Beiträge von Energiekonzernen, eine Änderung der Stiftungssteuer „durchgekämpft“ – gemeinsam mit höheren Einnahmen aus „Immobilienspekulationen“ sollen dadurch „Milliardenbeiträge“ in den maroden Staatshaushalt sprudeln. Aber stimmt das?
Ein Blick auf die Maßnahmen im Detail: Infolge der Bankenkrise im Jahr 2011 wurde in Österreich eine Bankenabgabe eingeführt. Damit sollten ursprünglich staatliche Hilfsgelder, die die Geldinstitute bekommen haben, zurückgezahlt werden. Die Abgabe wurde im Laufe der Jahre mehrfach abgeändert, die Beiträge der Banken ins Staatsbudget dadurch über die Jahre geringer. Die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos hat genau hier angesetzt und die Stabilitätsabgabe von 0,024 Prozent auf 0,033 Prozent erhöht. Gemeinsam mit der Anhebung drei weiterer Steuersätze wurde auch eine Sonderzahlung für 2025 und 206 eingeführt. Insgesamt soll das statt bisher 150 Millionen Euro jährlich rund 500 Millionen Euro in die Kassa des Finanzministers spülen.
„Bei den Beiträgen der Banken und der Energiekonzerne ist mit Einnahmen im dreistelligen Millionenbeträgen zu rechnen“, bestätigt der Budgetexperte Christoph Lorenz vom Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Denn auch bei den Energieunternehmen hat die Regierung Änderungen beschlossen: so wurde etwa die Schwelle, ab wann ein Gewinn ein „Übergewinn“ ist und die Abschöpfungsquote, also wie viel davon an den Staat abzugeben ist, verändert. Dadurch sollen jährlich 200 Millionen Euro zusammenkommen. Damit sind für dieses und das kommende Jahr zumindest Einnahmen von jeweils 700 Millionen Euro gesichert.
Hinzu kommt die Verlängerung des Spitzensteuersatzes von 55 Prozent auf Einkommensteile, die über einer Million Euro liegen. Dieser wurde bis Jahresende 2029 verlängert und soll ab dem kommenden Jahr 50 Millionen Euro einbringen.
Während also Maßnahmen beschlossen wurden, die gesichert zu Mehreinnahmen führen, gibt es auch einige von Babler angesprochene Maßnahmen, bei denen unklar ist, wie viel Geld wirklich zusammenkommt.
Denn die Koalition hat auch Änderungen bei der Stiftungssteuer, Steuerzuschläge für Gewinne aus Umwidmungsverkäufen, die „Effektivere Besteuerung großer Immobiliendeals“ oder auch eine höhere Besteuerung von Glücksspielunternehmen beschlossen. „Zusätzlich sind Mehreinnahmen in Höhe von 270 Millionen Euro durch die Bekämpfung von Steuerbetrug zu erwarten“, heißt es in der Aufstellung, die Bablers Presseteam auf Nachfrage zur Verfügung stellt. Das Problem dieser Maßnahmen: wie viel Geld tatsächlich zusammenkommen wird, lässt sich nur schwer bis kaum vorhersagen.
„Steuerbetrug zu quantifizieren ist sehr schwierig, das sind meist Schätzungen aus der Vergangenheit, die man in die Zukunft fortschreibt“, sagt der Wirtschaftsforscher Lorenz. Denn, „wenn ich die Steuervermeidung so leicht quantifizieren könnte, dann hätte ich sie als Gesetzgeber schon lange unterbunden“, so der Wifo-Experte.
Ähnlich verhalte sich das auch bei illegalem Glücksspiel, der Stiftungssteuer und Immobilienspekulationen. „Es ist immer eine gute Praxis zu sagen, ich bekämpfe illegale Aktivitäten und besteuere das alles richtig. Aber man kann maximal aus der Vergangenheit lernen, was man dort gefunden hat und das schreibt man dann fort“, sagt Lorenz. Nachsatz: „Ob das in Zukunft jedoch wieder so funktioniert, steht in den Sternen.“ Einen Vorwurf könne man hier weder Babler noch Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) machen, „weil eine Annahme so zu treffen, ist die gängige Praxis in unserer Disziplin.“
Wie viel Geld durch die von Babler angesprochenen Gesetzesmaßnahmen schlussendlich wirklich eingenommen werden, wird sich im Budgetvollzug zeigen.
Fazit
Die Aussage von Babler, dass durch die Bankenabgabe, Beiträge der Energiekonzerne, Änderungen bei der Stiftungssteuer und Maßnahmen bei „Immobilienspekulationen“ Milliardenbeträge für das Budget zusammenkommen, ist größtenteils richtig. Aber nur, wenn man die Einnahmen für mehrere Jahre zusammenrechnet. Bei der Bankenabgabe und den Beiträgen der Energiekonzerne gibt es relativ valide Prognosen: Für heuer werden sie Einnahmen in der Höhe von etwa 700 Millionen Euro bringen. Im Jahr 2026 sind es inklusive der Verlängerung des erhöhten Spitzensteuersatzes dann 750 Millionen Euro. Heuer sollen durch die höhere Besteuerung von Glücksspielunternehmen und den Steuerzuschlag für Gewinne aus Umwidmungsverkäufen 41 Millionen Euro dazukommen, im kommenden Jahr sollen beschlossene Erhöhungen dann zusätzlich 397 Millionen einbringen. Bis Jahresende 2026 könnten dadurch 1,84 Milliarden zusammenkommen. Zweifelsohne Milliardenbeträge, aber bei weitem nicht ausreichend, um das Budgetloch - es beträgt alleine heuer fast 14 Milliarden Euro - ansatzweise zu stopfen.
Wie viel Entlastung bringt die Mietenbremse?
(...) mit 1. April verhindert, dass für hunderttausende Menschen in diesem Land die nächste Mieterhöhung kommt – 3,16 Prozent im Durchschnitt. Das wären wieder einige hundert Euro mehr gewesen, was die Miete anbelangt.
ORF-Sommergespräch
Größtenteils richtig
Der Mietenstopp ist das politische Aushängeschild der Babler-SPÖ. Im Fachjargon heißt der Mietendeckel „4. Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz“. Er greift bei Mieten im gemeinnützigen Bereich (Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen) sowie bei Richtwert- und Kategoriemietzinsen – also in Segmenten, die ohnehin schon davor gesetzlich reguliert waren und meist deutlich niedrigere Quadratmeterpreise aufweisen als bei privaten Wohnungen mit freien Mietverträgen. Das Segment der freien Mieten, das rund ein Drittel des Wohnungsmarkts ausmacht, bleibt von der Regelung unberührt – Babler kündigte an, diesen im Herbst in Angriff zu nehmen.
Ob die bisherige Mietendeckel tatsächlich „einige hundert Euro“ in regulierten Segment ausmacht, hängt von Wohnungsgröße und Wohnort ab. Der Richtwertmietzins, der höher als der Kategoriemietzins liegt, variiert je nach Bundesland zwischen 6,09 Euro pro Quadratmeter im Burgenland und 10,25 Euro in Vorarlberg. In Wien gilt ein Richtwertmietzins von 6,67 Euro. Die Hauptstadt stellt wegen gängiger Lagezuschläge und Befristungsabschlägen einen Sonderfall dar.
Laut Statistik Austria hat die durchschnittliche Richtwert-Mietwohnung in Österreich 65 Quadratmeter. Damit eine Wohnung durch den beschlossenen Mietendeckel überhaupt eine effektive Ersparnis von mindestens 200 Euro bringt, müsste sie im Burgenland rund 87 Quadratmeter groß sein – in Niederösterreich immerhin 77 Quadratmeter.
Wo tatsächlich kleinere Wohnungen, also unter dem Österreichschnitt von 65 m2, vom Mietpreisdeckel profitieren, sind die Steiermark, Salzburg und Vorarlberg, dort gelten die höchsten Richtwertmieten per Quadratmeter.
Wo die Mieten trotz verhängten Stopps trotzdem steigen: ausgerechnet im Genossenschaftsbau. Genauer gesagt, für Wohnungen, die noch nicht zur Gänze abbezahlt sind. Steigen die Kreditzinsen für noch nicht abbezahlte Wohnungen, die Genossenschaften zur Finanzierung aufgenommen haben, dürfen diese Mehrkosten an die Mieter weitergereicht werden. Der SPÖ ist dieses Problem bekannt, denn dadurch, dass die Gemeinnützigen kostendeckend wirtschaften müssen, habe der Staat wenig Spielraum preislich einzugreifen, so das Wohnbauministerium: „Ein Mietendeckel ist hier also nicht das Mittel der Wahl.“
Fazit
Das SPÖ-Prestigeprojekt Mietpreisbremse wirkt im regulierten Wohnungsmarkt. Grundsätzlich gilt: Je größer die Wohnung, umso größer ist der Einspareffekt durch den Mietendeckel. Einzige Ausnahme: Genossenschaftswohnungen, die noch nicht völlig ausfinanziert wurden. Deren Miete darf trotz Mietendeckels um etwaige Zinserhöhungen erhöht werden. Dass sich Haushalte mit dem Mietenstopp „einige hundert Euro“ ersparen würden, begründet Bablers Büro auf profil-Nachfrage mit der jährlichen Ersparnis über Jahre summiert.