Message Control aus dem Hause Totschnig
Norbert Totschnig ist ein mächtiger Mann. Der ehemalige Direktor des ÖVP-Bauernbundes ist Minister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK). Die Umsetzung großer Aufreger wie Entwaldungs- und Renaturierungsverordnung fallen in seine Verantwortung. Und seit er auch für Klima verantwortlich ist, redet er bei den Klimazielen der EU mit.
Wobei der Klimaminister Totschnig in Brüssel lieber Verantwortung abgibt: Erst vergangene Woche haben die Umwelt- und Klimaminister daher beschlossen, dass nicht sie mit qualifizierter Mehrheit über die Ziele bis 2040 abstimmen wollen. Stattdessen sollen die Staats- und Regierungschefs entscheiden – bei ihnen muss der Entschluss allerdings einstimmig sein. Damit kann ein Land die Klimaziele blockieren.
Während Totschnig in Brüssel Pouvoir abgibt, baut er sich in Wien ein neues Machtzentrum auf. Seit Mitte des Monats gilt die neue Geschäfts- und Personaleinteilung des BMLUK. Immerhin kamen mit den neuen Aufgaben rund 1000 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Ministerium. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: Der Minister platziert nun politische Verbündete an entscheidende Positionen in der Verwaltung seines Hauses.
Strategie für den Parteifreund
Zum Verständnis: Ein Ministerium kennt im Grunde zwei Ebenen. Die politische Ebene rund um den Minister ist sein Kabinett aus handerlesenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Totschnig beschäftigt laut Website des BMLUK derzeit 22 Personen in seinem Büro, vier davon betreiben Kommunikations- beziehungsweise Pressearbeit. Damit befindet sich Totschnig durchaus im Schnitt der anderen Ministerien.
Die zweite Ebene ist der gesamte Rest des Ministeriums, die Verwaltung. Wer hier arbeitet, sollte rein nach Qualifikation ausgewählt worden sein. Die bisherige Abteilung „Kommunikation und Service“ mit 28 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Beispiel sollte nicht primär daran arbeiten, den Minister besonders gut aussehen zu lassen, sondern Inhalte und Vorhaben des Ministeriums transparent und zielgruppenorientiert kommunizieren.
Diese Abteilung in der Verwaltungsebene gibt es seit 15. September nicht mehr. Stattdessen wurde sie zweigeteilt. Rund die Hälfte des Personals und die ehemalige Abteilungsleiterin von „Kommunikation und Service“ betreibt nun „interne Kommunikation“. Die andere Hälfte arbeitet in der neu geschaffenen Abteilung „Strategische Kommunikation“. Die neue Abteilung erhält einen vom Minister gewählten Interimsleiter. Totschnigs Wahl fiel auf: Den ÖVP-Bezirksparteiobmann von Ottakring, der seit 1. Juli auch die Kommunikation in Totschnigs politischen Kabinett leitet.
Für all jene, die diese Connections nicht haben, ist das fatal.
Professor für Österreichische Politik an der Universität Wien über die Signalwirkung politischer Postenbesetzungen in der Verwaltung
Vor seinem Wechsel in das BMLUK war der neue interimistische Abteilungsleiter Sprecher des Finanzressorts. Nun leitet der ÖVP-Kommunalpolitiker die PR für den Klimaminister und die davon eigentlich unabhängige Kommunikation des BMLUK.
Jeder Leitungsposten in der Verwaltung, der aus dem politischen Kabinett besetzt wird, „führt zu einer weiteren Politisierung von führenden Verwaltungsfunktionen“, sagt Laurenz Ennser-Jedenastik, Professor für Österreichische Politik an der Universität Wien: „Und es ist ein Signal für alle im Ministerium, dass es nicht schaden kann, wenn man politisch auf der richtigen Seite steht. Für all jene, die diese Connections nicht haben, ist das fatal.“
Direkterer Zugriff des Generals
Eine zweite Besonderheit der neuen Geschäftseinteilung: Die gesamte Kommunikation wandert aus der Präsidialsektion zum Generalsekretär, der über allen Sektionen des Ressorts steht. Die Rolle der Generalsekretäre steht bereits länger in Kritik, da sie eine Grauzone zwischen Kabinett und Verwaltung darstellen und ihre Bestellung intransparent ist. Welchen Unterschied macht es dann, wenn etwa die Kommunikationsabteilung aus einer Sektion zum Generalsekretär wandert? „Liegt die Sektion beim Generalsekretär, ist sein Zugriff direkter“, erklärt Ennser-Jedenastik: „Das kann aus organisatorischen oder politischen Gründen gewünscht sein – oder aus beiden.“
Das BMLUK argumentiert den Umbau gegenüber profil mit dem breiten Themenfeld des Ressorts, aber auch mit Totschnigs Rolle in Brüssel: „Abgesehen von der fachlichen Komplexität jeder einzelnen Fachmaterie ist der Zuständigkeitsbereich des BMLUK stark unionsrechtlich geprägt.“ Daher sei nun eine „intensive Koordinierung und Steuerung auf mehreren Ebenen“ gefordert. Das Ziel: Eine „bestmögliche Vertretung der österreichischen Position in den EU-Gremien“.
Ob Totschnigs Kommunikationschef im Kabinett die „Strategische Kommunikation“ des Ministeriums nicht nur interimistisch, sondern dauerhaft leiten soll, beantwortet das Ressort nicht: Dem Ausschreibungsverfahren könne nicht vorgegriffen werden.
Über die Kommunikationsabteilungen will Totschnig – wie auch bei den EU-Agenden – eine Bereichsleitung installieren. Aus Sicht des BMLUK war das aufgrund der zusätzlichen Klima-, Umwelt- und Kreislaufagenden „nicht nur aus Zweckmäßigkeitsgründen geboten, sondern im Sinne des Bundesministeriengesetzes geradezu zwingend“.
Beide Posten sind derzeit unbesetzt. Ob hier jemand ohne ÖVP-Parteibuch den Zuschlag bekommt?