Ex-Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer mit Brille
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Es war einmal eine Wirtschaftspartei: Wie die Causa Mahrer die ÖVP ins Wanken bringt

Der WKO-Präsident – zurückgetreten. Der Klubobmann – rücktrittsreif. Der Kanzler – nicht wahrnehmbar. Die ÖVP zeigt Auflösungserscheinungen. Wem würde eine christlich-soziale Partei abgehen, deren oberste Vertreter Nehmen für seliger halten als Geben?

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Eine fast zwanzig Jahre lange politische Karriere geht vergangenen Donnerstag um 17 Uhr innerhalb von drei Minuten und zehn Sekunden zu Ende, per Video, aufgenommen im Christoph-Leitl-Saal im obersten Stockwerk der Wirtschaftskammer in der Wiedner Hauptstraße in Wien. Und veröffentlich auf den sozialen Netzwerken LinkedIn und Facebook. Keine Journalisten, keine Wegbegleiter – der Wirtschaftskammerpräsident nimmt alleine Abschied. Sichtlich angeschlagen wendet sich Harald Mahrer in blauem Blazer und weißem Hemd an die „Unternehmerinnen und Unternehmer“ und seine „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Ein paar Floskeln über seinen Einsatz für den Wirtschaftsstandort; eine kurze Klage über „persönliche Ressentiments und Populismus“; die Feststellung, dass dies nicht sein „Spielfeld“ sei; dann die Zusage, Wirtschaftskammer und ÖVP-Wirtschaftsbund ordentlich zu übergeben; zum Abschluss eine kurze Anleihe bei Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“: „Es ist ein gutes Land“ und eine „besondere Freude, für dieses Land etwas tun zu können“.

Um 17.11 Uhr bedankt sich Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann in einer Aussendung für Mahrers „Verdienste um die Republik als Staatssekretär, Bundesminister und Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer“. Dieser habe „in einer auch für ihn sehr schwierigen Situation eine persönliche Entscheidung getroffen“.

Nicht nur für Mahrer, auch für Stocker und die ÖVP ist es „eine sehr schwierige Situation“. Der Fall des Wirtschaftskammerpräsidenten und die Debatte um die Gagenerhöhungen der Landespräsidenten haben die Volkspartei schwer beschädigt. Mit Arbeitnehmerbund-Obmann August Wöginger ist ein weiterer Chef einer Teilorganisation rücktrittsreif. Und der Bundesparteiobmann? Christian Stocker schwieg. In der größten Krise seit dem Rücktritt von Sebastian Kurz scheint die Partei führungslos. Ist sie noch zu retten?

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".