Sollen die Stromerzeuger den Deckel zahlen, Frau Schmidt? „Ich sage ja“
Sie kommen aus der Arbeiterkammer. Empfinden Sie bei der Diskussion um die Wirtschaftskammer-Privilegien eher Mitleid oder Schadenfreude?
Michaela Schmidt
Ich habe da grundsätzlich keine Gefühle. Die aktuellen Vorgänge in der Wirtschaftskammer sind mäßig hilfreich, sind aber Sache der Wirtschaftskammer. Grundsätzlich ist die Sozialpartnerschaft in Österreich eine Erfolgsgeschichte.
Können Sie die massive Kritik nachvollziehen?
Schmidt
Ja, natürlich kann ich sie nachvollziehen. Wir sind in einer budgetär wirklich herausfordernden Situation. Es muss jeder einen Beitrag leisten. Die Wirtschaftskammer hat das offensichtlich nicht getan. Aber sie kennt das Problem und wird es auch lösen.
Harald Mahrer hat vor seinem Rücktritt auf Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl gezeigt und gesagt: Er habe sein Salär nur auf ihr Niveau angepasst.
Schmidt
Es ist nicht Aufgabe der Regierung zu kommentieren, wie die Gehälter in der Sozialpartnerschaft zustande kommen. Es geht darum, der Bevölkerung glaubwürdig zu vermitteln, dass jeder und jede in so einer Situation seinen Beitrag leistet. Und ich denke, das hat die Wirtschaftskammer jetzt auch verstanden.
Wir haben definitiv viel zu hohe Strompreise.
Staatsekretärin und Regierungskoordinatorin
Zu Ihren Plänen bei den Energiepreisen: Sie haben jetzt die Möglichkeit, im Krisenfall in Preise einzugreifen. Haben wir jetzt eine Krise?
Schmidt
Wir haben definitiv viel zu hohe Strompreise. Es besteht absolute Einigkeit in der Regierung, dass unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, die Strompreise zu senken, für Haushalte, für Klein- und Mittelbetriebe, aber auch für die Industrie. Wir haben jetzt einen Preisdeckel von zehn Cent im Krisenfall.
Wer soll diesen Deckel zahlen?
Schmidt
Wir haben in Österreich einen sehr hohen Anteil an erneuerbarer Energie, der in der Produktion viel billiger ist, als das, was die Kunden zahlen. Wir haben als Bundesregierung die Haltung, dass die Österreicherinnen und Österreicher auch von dem hohen Anteil an erneuerbarer Energie preislich profitieren müssen und nicht nur die Produzenten diese außergewöhnlich hohen Gewinnmargen abschöpfen.
Sollen die Produzenten zahlen?
Schmidt
Ich sage ja, aber es gibt verschiedene Varianten, die gerade diskutiert werden. Klar ist: Es muss gegenfinanziert werden. Wir werden das Modell im Dezember präsentieren. Egal, welches es wird, die Strompreise werden sinken. Der Energiekrisen-Mechanismus ist nicht nur für die aktuelle Situation gedacht, sondern soll auch für die Zukunft gelten. Wir müssen verhindern, dass Krisen sich wieder so durchfressen. Beim nächsten Mal kann man sofort eingreifen.
Wann werden die Haushalte eine Entlastung spüren?
Schmidt
Das Wesentlichste, das sofort preissenkend wirkt, sind die 450 Millionen Euro an Rücklagen, die wir in den nächsten Jahren einsetzen werden, um die Netzkostenentwicklung zu dämpfen. Die Netzkosten sind heuer um 20 Prozent gestiegen. 2026 werden sie deshalb nur um ein Prozent steigen, also deutlich unter der Inflation. Mittelfristig geht es darum, den Netzausbau sinnvoll zu gestalten und auf viele Schultern zu verteilen. Die Hauptursache für die aktuelle Teuerungsspirale, in der wir sind, sind schließlich die Energiepreise.
Wie viel soll sich ein durchschnittlicher Haushalt sparen?
Schmidt
Wenn man es veranschaulichen will: In Salzburg liegt der Arbeitspreis derzeit bei 17 Cent pro Kilowatt-Stunde. Das wäre für einen Durchschnittshaushalt eine Ersparnis von circa 250 Euro im Jahr. Eine halbe Millionen Menschen ersparen sich deutlich mehr durch den Sozialtarif. Der ist mit sechs Cent gedeckelt.
Von der Arbeiterkammer kam heute die Kritik, dass zu wenig Personen vom Sozialtarif profitieren. Vor allem schauen jene, die arbeiten, sich aber trotzdem das Leben nicht leisten können, durch die Finger.
Schmidt
Das ist eine legitime Kritik, aber wir haben uns als Regierung auf die Grenzen der ORF-Beitragsbefreiung geeinigt, also vorrangig Mindespensionistinnen und Pflegebedürftige.
Die Regierung ruft dazu auf, den Stromanbieter öfter zu wechseln, um mehr Wettbewerb und damit günstigere Preise zu schaffen. Wann haben Sie zuletzt den Energieanbieter gewechselt?
Schmidt
Noch nie.
Sie sind also eine klassische Österreicherin?
Schmidt
Ich bin eine klassische Österreicherin. Ich war auch im Aufsichtsrat der Salzburg AG und war dem Unternehmen gegenüber auch immer treu.
Zum Budget: Niemand spart gerne. Wie geht es Ihnen als ehemalige Arbeiterkammer-Funktionärin mit dieser Budgetmisere?
Schmidt
Jeder, der in die Politik geht, möchte gern gestalten. Das ist ohne Geld deutlich schwieriger. Es ist aber auch nicht unmöglich. Ich glaube, man kann solche Zeiten nutzen, um zu besseren strukturellen Lösungen zu kommen. Indem man zum Beispiel entbürokratisiert.
Wird es noch weitere Einsparungen oder neue Steuern brauchen?
Schmidt
Wir haben ein ambitioniertes Doppelbudget bis 2026 vorgelegt. Ganz klar ist, dass 2027 die Budgeterstellung eine Herausforderung sein wird.
Die Frage zielt auf 2026, mit Blick auf die unerwartet hohen Defizite von Ländern und Sozialversicherungen.
Schmidt
Es wäre unseriös, das zu einem Zeitpunkt zu beantworten, wo die Zahlen noch nicht da sind.
Ist es nicht erstaunlich, dass die Länder am Ende des Jahres mit einem höheren Defizit daherkommen?
Schmidt
Der Europäischen Union ist es völlig egal, ob diese Defizite beim Bund, den Ländern, den Gemeinden oder bei den Sozialversicherungen entstehen. Es ist eine österreichische Aufgabe, das zu lösen. Was in so einer Situation wenig bringt, ist mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Ich bin Regierungskoordinatorin. Mein Job ist es Probleme zu lösen. Jetzt müssen alle ihren Beitrag leisten, um dieses Defizit in den Griff zu bekommen.
Sie verhandeln mit den Ländern über klarere Kompetenzen. Salzburgs Landeshauptfrau Karoline Edtstadler schlägt vor, dass die Spitäler zum Bund wandern, die Schulen dafür in die Landeskompetenz übergehen. Was halten Sie davon?
Schmidt
Wir haben uns das Limit gesetzt, nächstes Jahr zur Halbzeit die Ergebnisse dieser Reformgruppen zu präsentieren.
Können Sie uns verraten, was da sonst besprochen wird?
Schmidt
Ich kann es aus dem Energiebereich sagen: Wir haben in Österreich extrem viele kleine Netzanbieter. Viele von ihnen werden die künftigen Herausforderungen nicht stemmen können. Deswegen ist einer der Vorschläge, eine große Netzgesellschaft zu bilden.
Beim Bund?
Schmidt
Beim Bund, ja. Es gibt eine Einigung der Landeshauptleute, die sehen das durchaus auch so, dass wir im Netzbereich konsolidieren müssen.
Im Sport lernt man zu gewinnen und zu verlieren
Die Umfragewerte zu den Regierungsparteien schauen nach acht Monaten nicht gut aus. Die SPÖ ist auf einem Tiefstand bei 17 oder 18 Prozent. Beunruhigt Sie das?
Schmidt
Es wäre völlig utopisch zu erwarten, dass einem in so einer wirtschaftlichen Krisensituation die Herzen zufliegen. Das war uns auch von Anfang an bewusst. Es ist für niemanden in der Politik leicht, wenn man andauernd Nein sagen muss. Es ist aber einfach notwendig. Ich bin davon überzeugt: wenn die Maßnahmen wirken, und das werden sie, wenn die Teuerung zurückgeht, wenn das Budget im Griff ist und wenn die Wirtschaft auch wieder wächst, und die Menschen das in ihrem täglichen Leben spüren, dass sich das dann in den Umfragen auswirken wird.
Wann wird es so weit sein?
Schmidt
Ich bin davon überzeugt, dass wir schon 2026 eine deutlich bessere Situation haben werden.
Zwei Büros weiter sitzt Andreas Babler, ein enger Vertrauter von Ihnen. Der ist gerade mit einer Negativ-Kampagne von den Boulevardmedien, aber auch mit Querschüssen aus der eigenen Partei konfrontiert. Wie glauben Sie, kommt er da wieder raus?
Schmidt
Wir haben als gesamte Regierung notwendige Einsparungen in den eigenen Ressorts getroffen und das sieht man unter anderem im Inseratenbudget. Ich kann verstehen, dass das für Medien, für die das auch eine Einnahmequelle ist, eine nicht erfreuliche Situation ist. Der Medienminister arbeitet mit Hochdruck an einer neuen Medienförderung, da wird ein gutes Ergebnis rauskommen.
Zum Schluss: Sie haben in der Faustball-Bundesliga gespielt. Welche Eigenschaften aus dem Spitzensport können Sie in der Politik gebrauchen?
Schmidt
Sport ist immer charakterbildend. Was man im Sport lernt, ist zu gewinnen und zu verlieren. Das Wichtigste ist, dass man nach dem Spiel trotzdem miteinander noch etwas trinken gehen kann und eine wertschätzende Atmosphäre hat. Das ist unser Ziel in der Koordinierung und das schaffen wir auch.
Sie gehen also nach den Verhandlungen mit ÖVP-Staatssekretär Alexander Pröll einen trinken?
Schmidt
Das war zwar eher metaphorisch gemeint, aber ja, hin und wieder kommt das vor.