zu sehen ist der ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, hinter ihm Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger im Rahmen des Ministerrates
Bild anzeigen

Wird Strom wirklich billiger? Was die Maßnahmen der Regierung bringen

Die Auflösung von Rücklagen, eine Senkung der Erneuerbaren-Abgabe, oder ein „Sommer-Sonnentarif“: Mit mehreren Maßnahmen will die Regierung Strom billiger machen. Doch wer wirklich sparen möchte, sollte nicht auf neue Gesetze warten.

Drucken

Schriftgröße

495 Euro Preisersparnis beim Wechsel des Energieanbieters in Wien? Klingt verlockend. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) habe das bei einer Abfrage des E-Control-Tarifkalkulators vor einer Woche angezeigt bekommen, wie er im ZIB2-Interview sagte. Wie viel man sich durch so einen Anbieterwechsel aber wirklich spart, fällt individuell sehr unterschiedlich aus, es kann je nach Vertrag auch deutlich weniger sein als Hattmannsdorfer behauptet. Die Bundesregierung will aber auch selbst tätig werden: Sie hat sich mit mehreren Gesetzesvorhaben vorgenommen, Energie für alle günstiger zu machen. Wie soll das gelingen und um wie viel werden die Energierechnungen tatsächlich geringer ausfallen?

Schon heute kann jeder den Stromanbieter wechseln. Hattmannsdorfer und seine Regierungskollegen wollen das mit ihrem Gesetzespaket zur Strommarktreform erleichtern. Die Regierung verkauft das vormals unter Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) bekannte Paket kommunikativ unter „Billigstromgesetz“ oder „Günstiger-Strom-Gesetz“. Und darin ist auch enthalten, dass sich künftig auf allen Energierechnungen ein Hinweis dafür finden soll, den Anbieterwechsel zu prüfen. Denn das gilt als eines der größten Probleme am heimischen Strommarkt: Haushalte in Österreich gelten als wechselfaul. Das reduziert den Wettbewerb zwischen den Energielieferanten – und somit auch die Chance auf günstigere Angebote.

Die Erwartungshaltung, dass Strom billiger wird, hat sich die Bundesregierung mit dem „Billigstromgesetz“ aber selbst hoch gesteckt. Fachleute, die nach wie vor lieber vom „neuen ElWG“ sprechen, sind skeptisch, ob das Gesetz sein Versprechen halten kann. Fix ist: Sobald das Gesetz in Kraft ist, wird es für alle rund 200.000 Haushalte, die aufgrund ihrer Einkommenssituation von der ORF-Abgabe ausgenommen sind – laut dem SPÖ-Abgeordneten Kai Jan Krainer sind das etwa eine halbe Million Menschen – einen Sozialtarif geben. Ihnen sollen die Energiekonzerne einen Tarif von sechs Cent anbieten, gesichert bis zu einem Verbrauch von 2900 Kilowattstunden.

Rücklagenauflösung: Drei Prozent weniger Netzkosten

Ebenso konkret ist eine weitere Maßnahme: „Wir werden 450 Millionen Euro über die nächsten drei Jahre aus den Sonder- und Regulierungskonten der APG (Austrian Power Grid, der Übertragungsnetzbetreiber; Anm.) auflösen und dafür sorgen, dass die Netzkosten jedes Jahr um drei Prozent günstiger werden“, sagte die für Energie zuständige Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) am Sonntag in der ORF-Diskussionssendung „Das Gespräch“. Das ist nicht nichts. Bedenkt man aber, dass sich die Energierechnung zu etwa 40 Prozent aus dem Energiepreis, zu 30 Prozent aus den Netzentgelten und zu 30 Prozent aus Steuern und Abgaben zusammensetzt, wird diese Maßnahme wohl gering ausfallen. Entlastungen verspricht sich die Regierung außerdem, in dem künftig auch die Stromerzeuger an den laufenden Netzkosten mitzahlen.

Deshalb steigen die Netzentgelte

In den vergangenen Jahren sind die Kosten für den Ausbau der Stromnetze und die transportierten Mengen etwa im Gleichschritt gestiegen. Das hat den Preis pro Kilowattstunde (kWh) relativ konstant gehalten. Nun steigen zwar die Kosten – weil die Netze ausgebaut werden – aber die verbrauchten Mengen steigen nicht mehr im selben Ausmaß. Der Hauptgrund dafür liegt in der Eigenerzeugung, vor allem durch private Photovoltaik-Anlagen. Haushalte mit Sonnenkraftwerk am Dach können ihren Bezug aus dem Netz halbieren, wodurch sich auch die Menge reduziert, die zur Tarifrechnung herangezogen wird (Cent pro kWh; Anm.). Und wenn diese Menge reduziert wird, steigen die Entgelte für alle restlichen Verbraucher.

Eine Analyse der Regierungsmaßnahmen ist auch deshalb schwer, weil sie ihre Vorhaben nur scheibchenweise präsentiert: Wie am Dienstag bekannt wurde, soll ab dem kommenden Jahr auch die Erneuerbaren-Abgabe sinken. Diese bezahlen Stromkundinnen und -kunden mit, um den Ausbau der erneuerbaren Energie zu unterstützen. Für ein großes energieintensives Unternehmen bedeute die Kostenreduktion laut Wirtschaftsministerium rund 50.000 Euro netto pro Jahr. Für einen durchschnittlichen Haushalt in Österreich würde die Ersparnis bloß 8,60 Euro betragen.

Am Mittwoch verkündete Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) schließlich, dass weitere 500 Millionen Euro zur Senkung der Energierechnungen aufgestellt werden sollen. Woher das Geld kommen soll und wie sich die Summe auf die Stromrechnungen auswirken könnten, ist derzeit jedoch unbekannt. Konkrete Vorschläge habe die Regierung bereits in petto, in den nächsten Tagen sollen sie präsentiert werden, heißt es aus dem Büro des Wirtschaftsministers Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP).

Weitere Maßnahmen, die mit dem „Billigstromgesetz“ kommuniziert wurden, müssen erst ausgestaltet werden. Denn die Regierung will, dass der Arbeitspreis (also Strom ohne Steuern und Netzgebühren) ab 2026 im Krisenfall nicht über zehn Cent netto ansteigt. Unklar ist, wer entscheidet, wann eine Krise vorliegt und ob sich die Regierungsparteien darüber einig sind. Die weiteren Verhandlungen könnten aber noch zäh werden. Denn um das „Billigstromgesetz“ wirklich zu verabschieden, brauchen ÖVP, SPÖ und Neos eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat. Also zusätzlich die Stimmen der Grünen oder der FPÖ. Die Freiheitlichen zeigen sich grundsätzlich gesprächsbereit, ebenso wie die Grünen – wenn auch mit Vorbehalten. Zwar ist es naheliegend, dass die Grünen sehr viele Maßnahmen begrüßen, immerhin hat die ehemalige Klimaschutzministerin und heutige Bundessprecherin Leonore Gewessler in der Vorgängerregierung lange am selben Gesetz gearbeitet, einigen konnte man sich bis zur Nationalratswahl im Oktober 2024 aber nicht mehr. Auch heute könnte das schwierig werden, denn in einer ersten Reaktion zeigte sich Gewessler enttäuscht: „Statt billigem Strom bringt er einen Österreich-Aufschlag auf grünen Strom. Das ist energiepolitisch unklug und verteuert Energie für Haushalte, Wirtschaft und Industrie.“

Wird Strom damit also doch nicht billiger, sondern teurer?

Meiner Meinung nach ist es nicht der richtige Weg, das Erzeugen von Energie zu bestrafen.

Thomas Kienberger, Professor an der Montanuniversität Leoben

Diese Kritik hat einen konkreten Hintergrund: Besonders umstritten ist ein höherer Beitrag der Erzeuger bei den Netzkosten – und das nicht nur bei den Grünen und der Branche der Erneuerbaren-Erzeuger, sondern auch bei Energiefachleuten. Das kann dem aktuellen Entwurf zufolge sowohl Besitzerinnen und Besitzer von Photovoltaikanlagen treffen, als auch PV- oder Windkraftgroßprojekte. Die Regierungsparteien argumentieren das wie folgt: Die Errichtungskosten für ein vor mehreren Jahrzehnten gebautes Wasserkraftwerk seien längst abgeschrieben. Sie würden also zu einem sehr geringen Preis Strom erzeugen. Weil sich der Verkaufspreis aber europaweit am Merit-Order-Prinzip orientiert (dabei bestimmt das teuerste noch benötigte Kraftwerk den Marktpreis für alle), wird billig erzeugter Strom aus Wasserkraft oft um den Preis des teuer erzeugten Gaskraftwerksstromsverkauft. Dadurch entstehe eine Differenz, die hohe Gewinne der Energiekonzerne zulasse, so die Regierung. Und deshalb sollen die Erzeuger ab 2026 auch bei den Netzkosten mitzahlen.

„Meiner Meinung nach ist es nicht der richtige Weg, das Erzeugen von Energie zu bestrafen“, sagt Thomas Kienberger, Vorsitzender des Instituts für Energienetzwerktechnologie an der Montanuniversität Leoben. Volkswirtschaftlich sei das „ein Fehler“, so der Experte, denn diese Gelder, die dann von den Erzeugern zu zahlen sind, würden für den weiteren Ausbau von erneuerbaren Energieprojekten in Österreich fehlen. Und das könnte sehr wohl den Ausbau bremsen. In eine ähnliche Kerbe schlägt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur, wenn auch etwas abgeschwächter: „Das sorgt auf jeden Fall für Unsicherheit, was neue Wind- oder PV-Projekte betrifft.Es macht einen großen Unterschied, ob die Rede von einem abgeschriebenen Wasserkraftwerk ist, das sehr geringe Erzeugungskosten hat oder im Vergleich dazu eine Windkraftanlage, die knapper kalkuliert und noch lange nicht abgeschrieben oder noch gar nicht gebaut ist.“

Die Folge daraus seien nicht nur Unsicherheiten rund um die Finanzierung weiterer Stromerzeugungsprojekte. Die Regulierungsbehörde E-Control muss sich – wenn dieses Gesetz so beschlossen wird – überlegen, wie die genaue Ausgestaltung und Höhe der Netzkosten für Erzeuger ausfalle. Und dabei gelte es auch, auf alle Energieträger gleichermaßen Rücksicht zu nehmen und die verschiedenen Erzeugungsarten nicht zu benachteiligen. Die Argumentation also nur auf ein billig erzeugendes, abgeschriebenes Wasserkraftwerk zu legen, sei zu einfach. Denn: Abgaben für die Erzeuger zu erhöhen, würde nicht nur die Kosten für Wasserkraftwerkbetreiber erhöhen – sondern auch für Gaskraftwerke. Und weil diese oft preisbestimmend sind, könnte das den Strompreis für alle erhöhen.

Die Regierung muss also einen Spagat hinlegen. Auf der einen Seite drängen Branchenkenner seit Jahren auf den Ausbau von Wind und Photovoltaik, da dieser Strom in der Entstehung sehr günstig ist. Auf der anderen Seite müssen ÖVP, SPÖ und Neos aber Lösungen für die Kosten des Netzausbaus finden.

Langfristig biete das „Billigstromgesetz“ jedenfalls einige Anreize, dass Strom günstiger wird, so die Einschätzung von Fachleuten. Maßgeblich ist etwa, dass ab 2026 nicht mehr die Erfassung und Übermittlung von Tageswerten der Standard sein wird, sondern auf Viertelstundenwerte umgestellt wird. Damit wird über so gut wie alle Haushalte hinweg – die Ausrollung des digitalen Messgerätes (Smart Meter) ist mittlerweile abgeschlossen – klar und ersichtlich, wie viel Strom tagsüber zwischen bestimmten Uhrzeiten verbraucht wird. Das ist auch Grundlage für den „Sommer-Sonnentarif“ der E-Control: Von April bis Ende September soll es laut Entwürfen einen Preisnachlass bei den Netzentgelten für all jene geben, die ihren Stromverbrauch zwischen 10 und 16 Uhr legen. Damit könne man mit ein bis zwei Prozent Gesamtersparnis auf die Jahresabrechnung rechnen, so Dolna-Gruber.

20 bis 30 Euro Ersparnis pro Jahr

Brancheninsider gehen davon aus, dass mit den bisher fixierten Maßnahmen im kommenden Jahr rund 20 bis 30 Euro für einen durchschnittlichen Haushalt eingespart werden kann. In etwa sieben Euro könnten sich im Schnitt durch den „Sommer-Sonnentarif“ ergeben, acht Euro aus der Auflösung der APG-Rücklagen, nochmal circa acht Euro aus der Senkung der Erneuerbaren-Abgabe.

An weiteren Maßnahmen arbeite die Regierung, das Thema Energiekosten für Unternehmen soll auch eine wichtige Rolle bei der Erarbeitung der Industriestrategie spielen. Und auch für das „Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz“ soll noch eine Regierungsvorlage im Dezember präsentiert werden. Damit sollen Energieprojekte, also neue PV-Großprojekte oder Windkraftvorhaben, schneller errichtet werden können, so das Ziel.

Wer bereits heute die eigene Stromrechnung senken möchte, hat es selbst in der Hand: Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher raten beinahe gebetsmühlenartig zumindest einmal pro Jahr eine Preisvergleichsplattform aufzusuchen und dort den ungefähren Verbrauch in Kilowattstunden, den Wohnort sowie den aktuellen Netzanbieter einzugeben. Und: den aktuellen Energievertrag. Denn von all diesen Parametern und ob es auch einen Wechselbonus oder Rabatt gibt, hängt maßgeblich ab, ob ein Anbieterwechsel 30 – wie von der FPÖ behauptet – oder 495 Euro pro Jahr bringt. Die Chancen stehen gut, sich irgendwo zwischen diesen Werten wiederzufinden.

Unterm Strich: Die Entlastung durch die Maßnahmen der Regierung wird für die meisten Haushalte nach im kommenden Jahr überschaubar ausfallen – wer wirklich sparen will, sollte nicht auf die Regierung warten.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.