Wieviel Kunst steckt in Pornos?

Zwischen Bildungsauftrag und Kunstanspruch: Warum Pornografie heute neu gedacht wird.

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Dass Pornografie längst nicht nur mehr in einschlägigen Videotheken oder auf windigen Websites im Internet konsumiert wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Pornografische Videos und Bilder, ob professionell oder amateurhaft gemacht, sind heute überall und jederzeit zugänglich - und verändern die Art, wie diese Videos produziert und konsumiert werden.

Die TV-Show “ZDF Magazin Royal” des Satirikers Jan Böhmermann ging kürzlich soweit, Pornos unter dem Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Senders neu zu denken. Denn: “Pornos sind heutzutage wie Schokolade und Kaffee. Ganz normal”, sagt Böhmermann in seiner Sendung. Nachsatz: “Und deswegen müssen sie eigentlich auch fair sein." Folgerichtig hat das TV-Magazin mit der Regisseurin Paulita Pappel einen eigenen, “ethisch korrekten, queer-feministischen Hochglanzporno” produziert.

Titel des Films, den man auf einer einschlägigen Seite finden kann: “FFMM straight / queer doggy BJ ORAL orgasm squirting ROYALE (gebührenfinanziert)”. Das Versprechen des Senders: niemand sei bei dem Dreh zu Schaden gekommen, alle wurden fair bezahlt und niemand musste etwas machen, was sie oder er nicht machen wollte. Ein Beispiel dafür, wie Pornografie im Jahr 2022 aussehen könnte.

"Pornografie ist noch immer ein Stigma"

Auf die Frage, ob Pornografie heute ein akzeptierter Teil der Unterhaltungsindustrie sei, sagte der österreichische Pornostar Mick Blue bereits 2017 in einem profil-Interview: “Mehr Menschen als je zuvor schauen sich Sexfilme an. Es war noch nie so einfach, an Pornografie zu kommen. Alles, was man braucht, ist ein Smartphone. Der Nachteil ist, dass geschätzte 80 Prozent nur über diverse Gratisseiten konsumieren, was der Branche und den Darstellern wenig Geld bringt.”

Paradoxerweise sei die gesellschaftliche Akzeptanz nicht gestiegen, gab der gebürtige Steirer, der in einem Vorort von Los Angeles lebt, zu bedenken. “Pornografie ist noch immer ein Stigma, zumindest hier in Amerika. Immerhin haben schon einige Kolleginnen und Kollegen den Sprung in die Mainstreambranche geschafft.”

Für den heute 45-Jährigen, der bereits für Christoph Schlingensief auf der Bühne des Wiener Burgtheater gestanden hat, sei Pornografie zudem große Kunst: “Männer und Frauen sind Artisten. Natürlich kommt es auch auf die Harmonie der Darsteller an; und die Erfahrung spielt eine große Rolle. Sex steckt in der Natur des Menschen. Sex vor der Kamera ist aber ganz was anderes.” 

Bleibt die Frage: Bekommen Heranwachsende, die viele Pornos im Internet sehen, nicht ein groteskes Bild von Sexualität? “Der Sex vor der Kamera ist natürlich was anderes als der Sex zu Hause”, sagt der Mann, der es wissen muss. Pornografie sei zudem zum Anschauen und nicht zum Nachmachen gedacht: “Ich sehe mir ja auch keinen Actionfilm an und springe dann wie ein Stuntman aus dem zehnten Stock eines Hochhauses.”

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.