Peter Handke

Muss man den jeweils neuen Handke, Grisham oder Murakami lesen?

Die Weltlage ist verwirrend. Ein profil-Guide, Teil 21.

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Radio Eriwan behält auch in Sachen Literatur seine nützliche Funktion als Navigator: Im Prinzip ja, aber. "Focus"- Redakteur Rainer Schmitz notiert in "Was geschah mit Schillers Schädel", seinem elementaren Kompendium zu allen möglichen literarischen Fragen und Themen, unter dem Stichwort "Leser":"Etwa vier- bis fünftausend Bücher kann ein eifriger L. im Laufe seines Lebens realistischerweise bewältigen."

Der Dichter Arno Schmidt kalkulierte weitaus pessimistischer: "Setzen wir, dass man vom 5000. Tage an leidlich mit Verstand zu lesen fähig sei; dann hätte man, bei einem green old age von 20.000 demnach rund 15.000 Lesetage zur Verfügung. Ich möchte es noch heilsam-schroffer formulieren: Sie haben einfach keine Zeit, Kitsch oder auch nur Durchschnittliches zu lesen." In diesem Sinne scheint die Lebenslesezeit mit Grisham und Murakami, den Romanfabrikanten im Bestsellergewand mit ihren glattgeschmirgelten, auf Eskapismus getrimmten Prosaplots, eher verschleudert als mit Prosa-Widerborst Handke (Foto) - von dessen Büchern man sich regelmäßig gleichermaßen überraschen wie ärgern lassen kann.

Grisham und Murakami sind die Forrest Gumps der internationalen Bestsellerliteratur, sie sind überall ständig zu finden. Handke verschafft Distinktionsgewinn. Der besessenste Leser aller Zeiten, so Rainer Schmitz, sei übrigens Thomas Babington Macaulay gewesen. Bereits mit drei Jahren habe der britische Historiker und Dichter zu lesen begonnen - auf einer Seereise nach Indien soll er Homer, Vergil, Cäsar, Horaz, Dante, Petrarca, Bacon, Cervantes und 70 Bände Voltaire durchgenommen haben. Macaulay starb mit 95, mit einem aufgeschlagenen Buch vor Augen. Er hätte Handke, Grisham und Murakami gelesen.

Sagen Sie: "Seit Bob Dylan den Literaturnobelpreis bekommen hat, bevorzuge ich Hörbücher."

Sagen Sie nicht: "Lesen ja, aber muss ich es auch fertig lesen?"

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