Die Band Arcade Fire
Aufgedreht

Neues Arcade Fire-Album: Wir > ich

Die kanadischen Indierock-Herzensbildner Arcade Fire finden wieder zu sich selbst – und dabei auch eine gute Prise Hoffnung.

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Popmusik funktioniert, alte Binsenweisheit, dann am besten, wenn sie nicht nur das verflixte Hier und Jetzt ein Stück weit erklärt und greifbar macht, sondern in eine mögliche Zukunft – besser noch: auf eine Utopie weist. Insofern kehrt die kanadische Indierock-Band Arcade Fire, die sich während der vergangenen fünf Jahren ein Sabbatical verordnet hat,  zur rechten Zeit zurück. Denn: Hört man die ersten Klänge von „WE“, ihrem sechsten Album, spürt man (und ja, bei Arcade Fire geht es vor allem ums Fühlen), wie diese Songminiaturen zur Herzensbildung beitragen können und wie nötig diese Art emotionaler Kunst in Zeiten des Kriegs und der Pandemie ist.

Es geht um die großen Fragen unserer Zeit: Wie können wir die gesellschaftliche Spaltung überwinden („End of the Empire I-IV“)? Was tun gegen Propaganda, Rassismus und verstaubte Lebensmodelle („Age of Anxiety“)? Und: Wie könnte eine bessere, gerechtere Welt aussehen? So dreht sich die erste Hälfte des neuen Albums (unter dem Sub-Titel „I“) um Furcht und Einsamkeit in der (Corona–)Isolation, während die zweite Hälfte („WE“) nach der Kraft neuer Zusammenkünfte klingt; eine musikalische Meditationsübung von der Vereinzelung hin zum großen Wir-Gefühl.

Das kleine Popmusikwunder, das hier stattfindet, ist zudem eine Art Versöhnungsangebot an die eigene Fan-Basis: Die Band um Sänger Win Butler und Multiinstrumentalistin Régine Chassagne findet – nach dem erratischen Discopop-Exkurs „Everything Now“ (2017) – mit „WE“ einen Weg zurück zu ihrer eigenen Geschichte und diesem ganz speziellen Sound aus hymnischen Neo-Folk-Gitarren, Singer-Songwriter- und elektronischen Versatzstücken. „The sky is breaking open / We keep hoping, in the distance we'll see a glow“, heißt es in der Single „The Lightning I, II“. Es ist: ein Hoffnungsschimmer. 

Von RAF Camora über Squid Game“ bis Adele: Alle Aufgedreht-Kolumnen lesen Sie unter profil.at/aufgedreht.

Jetzt auf Spotify: Die Songs der Woche von Lena Leibetseder und Philip Dulle in der Aufgedreht-Playlist. Jeden Freitag neu.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.